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Chronologiekritik — eine ganz neue Einsicht?

Obwohl die hier vorgestellten Thesen fast allen Lesern überraschend erscheinen werden - die meisten Wissenschaftler werden sich darin einig sein, daß sie noch nie von dergleichen gehört haben - so sind sie doch großenteils gar nicht so neu. Die chronologiekritischen Forscher des 20. und 21. Jahrhunderts stehen keineswegs allein da: es gibt eine lange Tradition der Chronologiekritik. Dies ist eine neuere Erkenntnis, die erst in den letzten Jahren an Gewicht gewonnen hat.

Seit denewtonn Anfängen der Geschichtswissenschaft hat es immer Autoren gegeben - manche unangefochtene Prestigefiguren ihrer Zeit - die die konventionelle Chronologie in Frage gestellt haben. Andere haben zwar nicht das Zeitmaß als solches, aber doch alle Behauptungen über unsere Vergangenheit als Fälschung erkannt.

Das beginnt schon im 17 Jh. in Spanien mit Nicolas Antonio, in Frankreich mit Launoy, Hardouin und Germon, und wenig später in England mit dem Mathematiker Isaac Newton, der selbst ein Zeitschema erstellte, das nicht mit dem heutigen übereinstimmt. Seitdem haben viele Wissenschaftler ähnliche Ideen ausgedrückt, aber obwohl manche enorme öffentliche Debatten hervorriefen, wurden sie doch meist bald nach ihrem Tode vergessen. Die meisten dieser Autoren waren in den Kreisen der heutigen Geschichtskritiker gar nicht bekannt, als diese ihre Theorien über eine verkürzte Chronologie aufstellten, und wurden erst später nach und nach wiederentdeckt.

Chronologische Übersicht

Dieser chronologisch-geographisch geordnete Index versucht, einen Eindruck zu vermitteln, zu welcher Zeit und wo bestimmte Wissenschaftler die konventionelle Sicht der Geschichte in Frage gestellt haben. Die geographische Zuordnung ist eher lose und mehr an sprachlichen Gesichtspunkten orientiert. Für mehr Information auf den Namen klicken!

Diese Tafel enthält nur einige der aktivsten Autoren; eine umfangreichere Zusammenstellung wird auf der Autorenliste geboten.

Russisch / Slawisch
Spanisch
Französisch
Englisch
Deutsch
 
1980


1950
 
 
 
1900

1800

1700



1600

Katastrophisten

Neben den ausgesprochen chronologiekritischen Arbeiten gab es stets Veröffentlichungen von Wissenschaftlern, die eine alternative Sicht der geschichtlichen Abfolge propagierten, vielfach mit katastrophistischen Grundlagen. Sie wurden ebenfalls akademisch diskutiert aber meist nur als Randfiguren angeführt. Einige dieser Außenseiter haben wir gestreift oder besprochen (siehe im Lesesaal Rezensionen zu Muck, Pallmann, Dacqué, Ceram, Kaiser, oder ältere wie Niebuhr, Fallmerayer. ) Eine neue Version der seltsamen Vordenker ist gerade erschienen.

Die letzen 20 Jahre

In früheren Jahrhunderten waren es meist vereinzelte Wissenschaftler, die die Chronologie in Frage stellten und ihre Thesen allein gegen die Fachwelt verteidigen mußten. Eine grundlegende Änderung beginnt in den 80er Jahren, als mehrere deutsche und schweizer Forscher —Christoph Marx, Gunnar Heinsohn, Heribert Illig, Christian Blöss und andere— die "Gesellschaft zur Rekonstruktion der Menschheits- und Naturgeschichte" (GRMNG) gründeten, die erstmals einen Zusammenschluß vieler ähnlich denkender Autoren ermöglichte.

Teilweise baute die GRMNG auf die Ideen des amerikanischen Psychoanalytikers Immanuel Velikovsky auf, der in den 50er Jahren mit dem Buch "Welten im Zusammenstoß" ein durch kosmische Katastrophen geprägtes Modell der Geschichte erarbeitet hatte (Marx übersetzte mehrere Bücher Velikovksys ins Deutsche). Allerdings hielt Velikovsky starr an der biblischen Überlieferung fest; flexibler war der deutsche Forscher Uwe Topper, der in den 70er Jahren unabhängig von Velikovsky die grundlegende Rolle der Katastrophen in der Geschichte erkannt hatte. Seine vor allem durch Feldforschung in Asien, Nordafrika und Spanien geprägte Sicht der Geschichte war in seinem Buch "Das Erbe der Giganten" (1977) zum Ausdruck gekommen, das einige Diskussion hervorgerufen hatte.

Der völlige Umsturz der Chronologie —die eigentlich schon der bekannte Geschichtsphilosoph Oswald Spengler in den 20er Jahren gefordert hatte— begann allerdings erst mit der GRMNG und wurde vor allem mit Heinsohns Buch "Die Sumerer gab es nicht" (1988) der Öffentlichkeit bekannt. Nach der Auflösung der GRMNG 1988 wurde die von Illig in München geleitete Zeitschrift Vorzeit-Frühzeit-Gegenwart einige Jahre lang das wichtigste Forum der Kritiker. Anfang der 90er wurde Topper mit Heinsohn, Illig, Niemitz und anderen Vertretern der Szene bekannt und bezog die Idee der verkürzten Chronologie in seine Thesen ein.

Mitte der 90er Jahre machte der Informatiker Eugen Gabowitsch die Szene darauf aufmerksam, daß in Rußland seit Jahren eine Neue Chronologische Schule existiert, die durch den Mathematiker Anatoli Fomenko geleitet wird und auf den russischen Gelehrten Nikolai Morosow der 20er Jahre zurückgreift. Auf statistischen Analysen aufbauend hält diese Gruppe alle Ereignisse im und vor dem Mittelalter für Rückspiegelungen späterer Geschehnisse.

Wegen ihrer Radikalität und der mathematischen Arbeitsmethode werden Fomenkos Ideen von einem großen Teil der deutschen Geschichtsforscher eher abgelehnt, sie sind wegen fehlender Übersetzungen aus dem Russischen allerdings in der Szene oft auch nur oberflächlich bekannt.

Diskussionsrunden und regelmäßige Treffen halten die Arbeit nun vor allem in Deutschland in Gang und ermöglichen einen fortwährenden Ideenaustausch zwischen einer immer größeren Anzahl von Interessierten; zu erwähnen wären die jährlichen Abonnententreffen der von Illig herausgegeben Zeitschrift (heute Zeitensprünge gennant), der von Niemitz, Blöss und Topper 1994 gegründete Berliner Geschichtssalon (BGS), der von Gabowitsch ab 1999 geleitete Karlsruher Geschichtssalon und der von ihm mit Topper und anderen 2002 gegründete Geschichtssalon Potsdam.

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