Fomenko und die russische Chronologiekritik
Naturwissenschaftler schreiben Geschichte nach mathematischen Analysen neu
Eugen Gabowitsch
Karlsruhe · s/d
1. Fomenko und sein Vorgänger Morosow  

Sechzig Publikationen, darunter ca. 10 Bücher, zählt die Veröffentlichungsliste der Forschergruppe "Neue Chronologie" der Moskauer Universität (MGU). Etwa 80% hat Mathematikprofessor Anatolij T. Fomenko als Autor oder Mitautor geschrieben.
Fomenko ist heute nicht nur der wissenschaftliche Leiter, sondern auch der anerkannte geistige Übervater dieses Forschungsprojektes. Er ist einer der bekanntesten Mathematiker unserer Zeit (180 Publikationen, 22 Bücher). Mehrere seiner mathematischen Bücher sind auch im Springer Verlag erschienen. Er ist Vollmitglied der Akademie der Wissenschaften der Russischen Föderation (RF) und der Akademie der Naturwissenschaften der RF. Lange Jahre vereinte er seine wissenschaftliche Arbeit mit der Funktion des Dekans der Mathematischen Fakultät der MGU. Außerdem ist er als hervorragender Maler bekannt.
Zu Fomenkos Vorgängern im Bereich der kritischen Analyse der gängigen Chronologie, die er oft in seinen Büchern nennt, gehört kein Geringerer als Isaac Newton. Sein Buch "The Chronology of Ancient Kingdoms Amended" erschien 1728, einige Jahre nach einer nicht genehmigten Publikation des Manuskriptes auf Französisch (Paris, 1725). Das Buch wurde 1770 neu verlegt und geriet danach in Vergessenheit. Nur 1988 wurde es wiederveröffentlicht.
In diesem Werk zeigt Newton, daß die traditionelle Chronologie einigen astronomischen Überlieferungen widerspricht. Er plädiert für eine andere, größtenteils kürzere Geschichtsschreibung, ist aber noch weit von radikalen modernen Vorstellungen über die - absichtliche oder aus Unkenntnis geschehene - chronologische Fälschung der Geschichtsschreiber früherer Zeiten (XV.-XVIII. Jh.) entfernt.

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Der wichtigste Vorgänger der Moskauer Gruppe "Neue Chronologie" war zweifelsohne der hervorragende russische Wissenschaftler Nikolaj Morosow (1854-1946). Seine enzyklopädischen Kenntnisse der Naturwissenschaften und der Geschichte erwarb er hauptsächlich während seiner 25-jährigen Einkerkerung im berüchtigten Schlisselburg-Gefängnis (1881-1905) als Autodidakt. 1907 veröffentlichte er zwei Bücher über das periodische System von Mendeleew, später auch mathematische, astronomische und meteorologische Bücher.
1910 und 1914 erschien in Moskau zwei seiner Bücher mit kritischen Betrachtungen biblischer Texte: "Offenbarungen im Gewitter und Sturm. Geschichte der Entstehung der Apokalypse" und "Propheten. Geschichte der Entstehung der biblischen Prophezeiungen, deren literarische Darstellung und Charaktereigenschaften".
Er präsentiert in diesen Büchern Berechnungen für mehrere in der Bibel in versteckter Form erwähnte und von ihm entdeckte astronomische Ereignisse. Nach Analyse der erzielten Ergebnisse über unmögliche und mögliche Datierungen dieser Ereignisse kam er zum Schluß, daß - im Verhältnis zur traditionellen Chronologie - Datierungen vieler historischen Geschehnisse mindestens um mehrere Jahrhunderte (bis zu 1000 Jahren) näher an unsere Zeit verlegt werden müssen.
Nach der Oktoberrevolution leitete Morosow ein großes Forschungszentrum für Naturwissenschaften in Moskau und wurde hauptsächlich als Chemiker hoch geschätzt. Mit Unterstützung seiner enthusiastischen Mitarbeiter setzte er die ausführliche naturwissenschaftliche Analyse der Bibel und der historischen Dokumente, die zu der biblischen Periode zugeordnet werden fort. Als Ergebnis dieser Arbeit wurden in den Jahren 1924-32 sieben Bände seines wichtigsten Werkes "Christus (Geschichte der menschlichen Kultur aus der naturwissenschaftlichen Sicht)" in Moskau und Leningrad veröffentlicht. Diese sieben Bände, sowie der nicht vollendete Band 8 (wird als Manuskript aufbewahrt), zitiert Fomenko oft und ziemlich ausführlich in seinen Büchern.
Das Hauptresultat von "Christus": die traditionelle Chronologie kann nicht stimmen, sie ist künstlich verlängert worden, die ganze antike Geschichtsperiode bis zum IV. Jh. ist eine riesige Fälschung. Dies wird an vielen Beispielen demonstriert, wobei sich ganze Dynastien aus der Altertumsgeschichte als Duplikate späterer Herrscherfamilien entlarven.

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Morosow nannte mehrere Kritiker der von Joseph Justus Scaliger (1540-1609) und Dionisios Petavius (1583-1652) entwickelten Chronologie:
- den Professor de Arcilla (Universität Salamanca, XVI. Jh.), der zwei kritische Arbeiten veröffentlichte: "Programma Historiae Universalis" und "Divinae Florae Historicae", um zu zeigen, daß die ganze Altertumsgeschichte im Mittelalter erdacht wurde,
- den Historiker und Archäologen Jesuiten Jean Hardouin (1646-1724) , der die komplette antike Literatur als eine Sammlung der Werke der Mönche des XVI. Jh. entlarvte,
- den deutschen Privatdozenten Robert Baldauf, der in den Jahren 1902-3 das Buch "Geschichte und Kritik" schrieb, in dem er aufgrund der literaturwissenschaftlichen Überlegungen behauptete, daß nicht nur die klassische Literatur, sondern auch Werke, die dem frühen Mittelalter zugeordnet werden, währen der Renaissancezeit und in den danach folgenden Jahrhunderten gefälscht worden sind,
- den englischen Historiker Edwin Johnson (1842-1901), den Autor des Buches "Rise of English Culture", London, 1904, in dem die traditionelle Chronologie ernsthaft kritisiert wurde.

2. Velikovsky und seine Wirkung  

Wie sind die von Morosow entdeckten chronologischen und geschichtlichen Fälschungen entstanden? Viele alte Manuskripte, die - wie Morosow zeigte - die gleiche Epoche der Geschichte eines Landes beschrieben, wurden mehrmals als voneinander völlig unabhängige und unterschiedlichen Ländern zugeordnete Dokumente interpretiert. Für die Plazierungen dieser Duplikate auf der Zeitachse wurden ganze historische Epochen, wirkliche und erdachte, weit in die Vergangenheit verschoben.
Dieser Verschiebungsmechanismus wurde später auch vom hauptsächlich in den USA bekannten russisch-jüdischen Wissenschaftler Immanuel Velikovsky (1895, Moskau, Rußland - 1979, Princeton, USA) am Beispiel der Geschichte des Alten Ägypten demonstriert.
Velikovskys Bekanntschaft mit Morosows Büchern kann mit großer Wahrscheinlichkeit angenommen werden: Nach einem Studium der Naturwissenschaften in Edinburgh studierte er Geschichte, Geisteswissenschaften und Medizin in Moskau. Trotzdem fand ich in seinen Büchern keine Erwähnung des Namens Morosow. Auch heute wagen viele Autoren, die Ideen von Morosow aufgreifen, nicht, ihn zu zitieren, weil es unter Historikern zum schlechten Ton gehört, "solche Spinner" positiv zu erwähnen. Inzwischen ist auch Velikovsky selbst von den Hütern der reinen traditionellen Lehre der chronologischen Orthodoxie als Spinner abgestempelt.

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Später studierte Velikovsky Biologie in Berlin, Neurologie in Zürich und Psychoanalyse in Wien. Er promovierte 1921 an der MGU, übersiedelte bald danach nach Jerusalem, wo er zu den Mitgründern der Hebrew University gehörte, und kam 1939 nach USA.
Laut Velikovsky sind mehrere Jahrhunderte des ägyptischen Altertums dadurch "entstanden", daß die hellenischen Historiker von der Beschreibung ein und derselben Ereignisse durch ägyptische und vorderasiatische Quellen auf verschiedene Herrscher oder sogar Dynastien schlossen.
Auch die wichtigste Komponente der Morosowschen Methode (Benutzung natürlicher Phänomene für die Verbesserung historischer Datierungen) wurde von Velikovsky benutzt. Er identifizierte die biblische Beschreibung der zehn Plagen als die einer riesigen Naturkatastrophe. Als er eine Erläuterung äußerst ähnlicher katastrophaler Ereignisse in ägyptischen Quellen fand, die von der traditionellen Chronologie einer ganz anderen historischen Epoche zugeordnet wurde, entstand die Hypothese der erfundenen Dynastien, die er in mehreren Büchern begründete.
Velikovskys Bücher wurden ab ca. 1950 bis nach seinem Tod in den USA veröffentlicht. Sie wurden von vielen renommierten Wissenschaftlern als unseriös abgetan und auf eine sehr undemokratische Weise bekämpft, da Velikovsky auch das Postulat der Stabilität des Sonnensystems ignorierte und die zehn Plagen mit einem Aufruhr im Sonnensystem zu erklären versuchte. Trotzdem gibt es bis heute Wissenschaftler, die Velikovsky für ein Genie halten und seine Theorien an amerikanischen Universitäten lehren oder weiterentwickeln.
Auch die Erwähnung seines Namens, ebenso wie Morosows, gehört bis heute zum schlechten Ton, diesmal nicht nur unter Historikern, sondern auch in naturwissenschaftlichen Kreisen. Die Wissenschaft produziert eben nicht nur eigene Kultfiguren, Autoritäten und Götzenbilder, sondern auch Ketzer und Ausgestoßene.

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Auf Deutsch sind Velikovskys Bücher erst seit Ende der 70er Jahre zugänglich. Von der offiziellen Wissenschaft wurden sie hauptsächlich verschwiegen. Trotzdem entstand Anfang der 80er in Deutschland eine Gruppe, die Velikovskys Ideen ernst nimmt, sie kritisch betrachtet und versucht weiterzuentwickeln. Diese Gruppe gibt seit 1989 in München die Zeitschrift "Zeitsprünge" (früher "Vorzeit-Frühzeit-Gegenwart", Herausgeber und Redakteur Dr. Heribert Illig) heraus.
Die Mitglieder dieser Gruppe haben seit 1988 mehrere Bücher veröffentlicht, die auf eine ziemlich radikale Kürzung der Chronologie hindeuten. So wurde im Buch von Dr. Heribert Illig und Prof. Gunnar Heinsohn "Wann lebten die Pharaonen?" (München ???, 1990) die ägyptische Chronologie um mehr als zwei Jahrtausende verkürzt.
Im vergangenen Jahr veröffentlichte Illig im ECON Verlag das Buch "Das erfundene Mittelalter. Die größte Zeitfälschung der Geschichte", in der die ganze Zeit zwischen 600 und 900 nach Christus als völlig erfunden dargestellt wird. Unter anderem wurde aus dem uns so vertrauten Karl dem Großen ein Karl der Fiktive.

3. Die Kartenspiel-Theorie  

In den Publikationen Fomenkos von und seiner Mitarbeiter geht die Rekonstruktion der Chronologie noch entschiedener vor sich. Die Gruppe "Neue Chronologie" zeigt, daß fast sämtliche Datierungen aufgrund von in alten Manuskripten und Büchern erhaltenen Horoskopen, Himmelskörper-Finsternissen und überhaupt Sternenhimmel-Beobachtungen zu Datierungen im IX.-XVII. Jahrhundert unserer Ära führen, und daß fast das ganze Gebäude der uns vertrauten Geschichtsschreibung durch mehrfache Wiederholung der Ereignisse aus dem XIV.-XVII. Jh. und die Zerstreuung der so entstandenen Duplikate entlang der - Tausende von Jahren langen - Zeitachse entstanden sind. Sogar entlang mehrerer Zeitachsen, wenn wir unterschiedliche Erdregionen zusammen mit diesen Erdteilen zugeordneten Zeitachsen betrachten.
Unsere heutige Geschichte ist ein Ergebnis der jahrhundertelangen Mischung der historischen "Karten" aus mehreren unvollständigen geschichtlichen Kartenspielen. Stellen Sie sich vor, daß jemand alte Spielkarten sammelt und oft nur einige oder sogar nur eine einzige Karte aus einer alten Packung findet. Wenn Sie sich nun noch eine Schublade vorstellen, in dem diese spärlichen Reste unterschiedlicher Kartenspiele lange Zeiten aufbewahrt werden, dann haben Sie ein Modell für die Grundlage unserer Geschichtsschreibung.
Wenn nun jemand (ein Erbe des Sammlers) alle diese Karten, Hunderte an der Zahl, für verschiedenartig hält, weil z. B. ein König aus einem Spiel etwas anders gemalt wurde als ein anderer König, und versucht sie zu ordnen, hintereinander zu legen, vielleicht sogar dazu noch mehrere Tische benutzt, ohne zu wissen, daß es nur knapp über 50 unterschiedliche Karten gibt, dann bekommen wir ein anschauliches Modell unserer Chronologie.
Endlich, wenn sich in der Schublade zwei Kartenspiele mit ähnlichen vorhandenen und fehlenden Karten befinden und diese bei der Hintereinanderlegung aller Karten nicht als gleiche erkannt werden, sondern zweimal mit der gleichen Kartenreihenfolge innerhalb des unvollständigen Spiels auf einem Tisch (oder auf zwei verschiedenen) in die zu schaffende Kartenordnung eingegliedert werden, dann bekommen wir eine Vorstellung von der möglichen Entstehung der Zeitsprünge.

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Fomenko entdeckte einige sich oft wiederholende Zeitsprünge in der orthodoxen Geschichtsschreibung der Alten Welt:
- ca. 100 Jahre (z.B. in der Datierung der Dschingis-Chan-Epoche, die in Wirklichkeit zum XIV. Jh. gehört),
- ca. 330 Jahre (s. oben den Abschnitt über das erfundene Mittelalter),
- ca. 1000 oder oft 1054 Jahre, die durch die späte Einführung der Ära "Nach Christi Geburt" entstanden sind (Nach Fomenko lebte Jesus Christus ca. 1054-1085 und wurde in Konstantinopel gekreuzigt und beerdigt),
- 1780 oder 1800 Jahre, was hauptsächlich in der biblischen Geschichte vorkommt.
Diese globalen chronologischen Verschiebungen, die teilweise auch miteinander kombiniert wurden, führten dazu, daß sich die ganze heutige Geschichtsschreibung als Zusammensetzung von mindestens vier Kopien einer - wie uns heute scheint - relativ kurzen Epoche entlarvt. Sogar diese kurze Epoche (XIV.-XVII. Jh.) beinhaltet einige Duplikate und Verschiebungen, ist aber hauptsächlich korrekt.
Die ihr vorangegangene Zeit (X.-XIII. Jh.) hat uns nur sehr spärliche Informationen hinterlassen und wurde mit Duplikaten aus der späteren Zeit "gefüllt". Trotzdem kann man auch einige Beispiele der Wanderung einiger Chroniken aus dieser Zeit in die Vergangenheit entdecken.
Die noch früheren Zeiten sind nach Fomenko rein mythisch, weisen keine brauchbaren historischen Überlieferungen nach und bestehen nur aus Duplikaten späterer Zeiten und wenigen mythologisierten Namen.

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Außerdem sind diese Duplikate nicht nur durch die Zeiten, sondern auch quer durch ganze Kontinente gewandert. So werden Duplikate der bysantinischen Chroniken vielen europäischen Ländern zugeschrieben, von Rußland bis England, und können in den entsprechenden Geschichtsschreibungen dieser Länder in verschiedenen Zeitentfernungen von der wirklichen Periode des Geschehens gefunden werden.
Die Beschreibung der Zeitperiode der römischen Kaiser, die selbst eine duplikative Kompilation darstellt, wurde von katholischen Mönchen im XVI. Jh. nach China gebracht, dort ins Chinesische übersetzt und ca. ein Jahrhundert später als die Grundlage der chinesischen Geschichtsschreibung benutzt.
Noch ein Beispiel: Die ganze Geschichte von Philip dem II. von Makedonien und seinem Sohn Alexander der Großen entstand im XV.-XVI. Jh. in Form von historischen Romanen und Pamphleten, die die Geschichte der türkischen Sultane (Mehmed der II. etc.), die die Eroberung des Byzantinischen Reiches und Konstantinopels vorbereiteten und ausführten, als Vorbild benutzten.

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Diesen Erkenntnissen ist eine gigantische akribische Arbeitsleistung vorangegangen. Zuerst wurde die ganze traditionelle Geschichtsschreibung formalisiert und auf mehreren Zeitachsen, die verschiedenen Weltregionen entsprechen, abgebildet. So entstand die Globale Chronologische Karte (GCK), die als komprimierte und überschauliche Darstellung der Weltgeschichte betrachtet werden kann. Diese Karte deckte sämtliche Wände in Fomenkos Universitätsbüro ab und wurde in einem seiner ersten Bücher veröffentlicht. Das Buch erschien in 5000 Exemplaren, die schon nach ca. einem Jahr vergriffen waren.
Die GCK und alle formalisierten historischen Daten (Listen, Dateien etc.) wurden danach unter Benutzung von Methoden der mathematischen Statistik gründlich analysiert. Um die erwähnten Dateien zu kreieren, hat man sämtliche als Primärquellen bekannten Werke durchwühlt, um alle verwertbare Information aus ihnen zu extrahieren: Listen von Herrschern und religiösen Oberhäuptern, Dauer der Machtausübung, Nationalitäten der historischen Persönlichkeiten, punktuelle Ereignisse wie Kriege, Revolten, Tötungen, Blendungen, Verbannungen, Häufigkeit der Namenserwähnung, historisches Volumen jedes beschriebenen Jahres (wieviel Zeilen lang ist die Beschreibung in jedem Buch) etc..
Mit diesen Daten wurden Computer gefüttert, die herausfinden sollten, ob in diesen historischen Daten Wiederholungen eintreten, die dem Postulat der Zufälligkeit des Herrschaftsdauer und einigen anderen empirisch überprüften Prinzipien widersprechen. Zum Erstaunen der Forscher entdeckten Rechner viel mehr Wiederholungen als man zunächst - sogar nach Lektüre Morosows Bücher - zu vermuten gewagt hatte. Seitdem sind Bücher von Fomenko voller Grafiken, die die praktische Identität von Dynastien aus ganz "verschiedenen" Zeiten und Ländern mit großer Klarheit und Übersichtlichkeit belegen.

4. Die Neuschreibung der Geschichte durch Fomenko  

1996 veröffentlichte Fomenko zwei neue Bücher. Das erste heißt "Neue Chronologie Griechenlands. Die Antike im Mittelalter" (Moskau, 1996). In diesem zweibändigen Buch ist Band 1 hauptsächlich einer sehr populären Einführung in die neue Chronologie gewidmet, die von I.A.Golubew als eine Art literarische Bearbeitung der wissenschaftlichen Werke Fomenkos geschrieben wurde.
Weiter wurden in diesem Buch die alten Arbeiten Morosows zur Datierung der Apokalypse neu bewertet. Morosows Hauptidee ist, daß Johannes (der Autor dieses Buches) keine verschlüsselte, sondern eine für seine Zeit übliche, aber später völlig in Vergessenheit geratene Sprache der Astronomen und Astrologen benutzte. Sämtliche Bilder, die Johannes beschreibt (Drachen, Pferde und weitere Tiere und Ungeheuer) findet man auf den astrologischen Karten des Himmels im späten Mittelalter.
Morosow war ein bißchen naiv, aber fest davon überzeugt, daß seit der Christianisierung des Römischen Reiches keine chronologischen Fälschungen mehr geschehen konnten. Mit daraus folgendem Morosows Tabus, die kategorisch verbot, die traditionelle Chronologie nach den IV. Jh. anzutasten, bricht Fomenko kategorisch. Folgend der im vorigen Abschnitt formulierten Idee Morosows, kommt Fomenko zum Schluß, daß das Buch der Apokalypse im späten Mittelalter entstand. Das stimmt mit seinen früheren Folgerungen überein, daß die Bibel im XI.-XVI. Jahrhundert geschrieben wurde, zuerst die Evangelien im XI.-XII. Jh. und erst viel später die uns bekannte Version des Alten Testaments.
Im zweiten Band werden nach sehr ausführlichen Begründungen die folgenden Identifizierungen vorgenommen:
- der trojanische Krieg aus dem XIII. vorchristlichen Jh. = die berühmten Gotenkriege des VI. Jh. = die Kriege, die Kreuzritter im XI.-XIII. Jh. geführt haben (Verschiebungen um 1800 bzw. 2400 J.),
- das antike Griechenland der klassischen Periode = das mittelalterliche Griechenland im X-XIV. Jh. (Verschiebung um 1800 J.),
- die römisch-germanischen Imperatoren aus dem X.-XIII. Jh. = die armenischen Katolikoi aus der gleichen Zeit = die Könige von Judäa aus dem X.-VI. vorchristlichen Jh. (Verschiebung um etwas mehr als 1800 J.).

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Das zweite neue Buch (mit G. W. Nossovski als Mitautor) "Das Imperium. Rus, Türkei, China, Europa, Ägypten. Neue mathematische Chronologie des Altertums" (751 S., Moskau, Faktorial, 1996)" stellt eine beeindruckende globale Neuschreibung der mittelalterlichen Geschichte der alten Welt dar. Viele einzelne Komponenten dieses globalen Bildes findet man in früheren Publikationen dieser Autoren:
- die Geschichte der Kiewer Rus ist eine spätere Erfindung der Romanow-Zaren (seit 1613 an der Macht), die aus dem Westen stammten (auch der Name Romanow kann dafür einen Hinweis liefern: vielleicht stammen die Romanows vom jemandem ab, der ein Römer war oder zu einem der romanischen Völker Europas gehörte) und eine andere westliche Dynastie (die der Wikinger) für die eigene Legitimierung ausdachten; vielleicht entspricht nur die Christianisierung der Russen durch den Heiligen Andreas der Wahrheit, sie muß aber um ca. 100 Jahre ins XI. Jh. verlegt werden,
- Rußland wurde nie von asiatischen Mongolen erobert, man hat das griechische Wort "megalion" für "groß" (Großrußland, Groß-Tatarien) später irrtümlicherweise als Bezeichnung eines Volkes verstanden (diese These hatte schon Morosow vertreten); die heutigen Mongolen bekamen diesen Namen frühestens im XVII. Jh.,
- das Wort "Tataren" bezeichnete in Rußland eine gewisse Gattung des Militärs, vielleicht die kosakische Kavallerie oder überhaupt die kosakischen Einheiten, die überwiegend aus nichtslavischen Kämpfern bestanden, aber unter russischem Kommando standen, das Volk der Wolga-Bulgaren (die heutigen Tataren oder Wolga-Tataren) und einige andere moslemische Völker, wie die Azeris (= Baku-Tataren), wurden erst ab dem XIX. Jh. als Tataren bezeichnet,
- die Horde repräsentierte in dem XIII.-XVI. Jh. die reguläre russische Armee, also war die Zeit der Horden-Herrschaft in Rußland die Zeit der militärischen Herrscher, die Fomenko als Horde-Dynastie bezeichnet; der Gründer dieser Dynastie von Chanen=Großfürsten später Zaren war Dschingis-Chan (=Jurij=Gürgi=Georgi, auch Heiliger Georgij der Siegreiche, bis heute einer der wichtigsten russischen Heiligen) - der Rostower Fürst und ein Führer der kosakischen Horden, der diese in eine altrussische Armee vereinigte und die Vereinigung des Landes vom Osten her (also zuerst die Fürstentümer entlang der Wolga) einleitete,
- der Eroberer von Zentral- und Westrußland Butu-Chan war sein Bruder (nicht sein Neffe); er ist als russischer Großfürst und Vereiniger des Landes Iwan Kalita bekannt; übrigens, heißt Batu in russischer Sprache so viel wie väterliche Oberhaupt - so nannten Kosaken ihre Führer (Bat'ka),
- die Tataro-Mongelen (also die großen oder mächtigen Tataren) vereinigten Rußland und eroberten oder unterjochten ganz Europa, sowie den heutigen Nahen Osten und Ägypten, nicht im XIII., sondern im XIV. Jh.,
- die berühmte Kulikowo-Schlacht (1380, einer der Bürgerkriege im Großen Imperium) fand auf dem Territorium des heutigen Moskau und nicht am Fluß Don statt, erst nach dieser Schlacht wurde Moskau als Stadt gegründet (und nicht im Jahr 1147, wie man heute glaubt und gerade in diesen Tagen in Rußland groß feiert),
- die osmanischen Türkenherrscher waren in Wirklichkeit die kosakischen Atamanen (Führer), die Teile des Bysantinischen Reiches und später auch Konstantinopel eroberten; Rußland und die Türkei waren Teile des Mongolen-Imperiums, also des Groß-Tatariens, die Eroberung Konstantinopels war eine gemeinsame Aktion der slawischen und der Türkenvölker,
- es existierte kein "Iwan der Schreckliche", diese "historische" Figur wurde von den Romanows erfunden, um die eigenen Greultaten während des Bürgerkriegs in der zweiten Hälfte des XV. Jh. zu vertuschen; in Wirklichkeit herrschten in dieser Zeit (1547-1584) vier Zaren der Horden-Dynastie: Iwan IV. (bis 1553), sein Sohn Dimitri (bis 1563), sein jüngerer Sohn Iwan (also Iwan V, bis 1572) und sein Onkel Simeon (Iwan der VI., fast alle Zaren nahmen sich einen den Zarennamen: Iwan oder Wassilij=Basileus=Zar); diese Rekonstruktion beseitigt viele Ungereimtheiten in der "Biographie" Iwans des Schrecklichen.

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Die wichtigsten der neuen Rekonstruktionen der "wahren" Geschichte (von den Autoren mehrmals nur als Hypothesen bezeichnet) sind die folgenden:
- die große Völkerwanderung fand nicht im IV.-VI. Jh. statt, sondern in den "mongolischen" Jahrhunderten (also ca. 1000 Jahre später),
- die Russen und die anderen slawischen Völker eroberten und besiedelten nicht nur die ganze Balkanische Halbinsel (dort waren schon früher in einigen Gebieten slawische Stämme ansässig) und fast das ganze heutige Deutschland, was gut bekannt aber falsch datiert ist, sondern auch Italien, wo die slawische Bevölkerung unter dem Namen der Etrusker (=T-Russen, vergl. mit P-Russen als Preußen) und Weneden (Begründer von Venedig) bekannt wurde; seit dem XIX. Jh. ist bekannt, daß der einzige Weg, die etruskischen Inschriften zu verstehen, die Annahme ist, daß ihre Sprache slawisch war,
- die in Südrußland ansässigen Goten waren Slawen, Kosaken, und keine Germanen (vielleicht wurde dieser Name später auf verschiedene Germanenstämme übertragen), sie besiedelten Skandinavien und zogen durch Deutschland (darum sind bis heute viele deutsche Trachten den kosakischen sehr ähnlich) nach Spanien und gen Süden nach Anatolien ( die biblischen Hettiter),
- die Habsburger, sowie französische und spanische Könige, sogar Päpste, sowie andere europäische Herrscher, waren Tributzahler des Großen Batu-Imperiums, später wurde die direkte Tributzahlung durch eine Art Handelssteuer ersetzt, in jedem Fall war Rußland bis zum XVI. Jh. sehr reich an Silber (ohne eigene Silberminen zu haben: Die westlichen Thaler wurden als Rohstoff zur Kopekenprägung und für kirchliche und zivile Wertgegenstände benutzt) und Gold (nur in Rußland wurden Kirchendächer mit Gold bedeckt),
- bei der 19. ägyptischen Dynastie (XIII. Jh. vor Christus) handelt es sich in Wirklichkeit um eine Dynastie des XIII. nachchristlichen Jh., diese Dynastie wurde von den Goten-Kosaken gegründet, die als Hyksos und Mamelucken in verschiedenen Epochen der traditionellen Chronologie zu finden sind; am Ende dieser Dynastie steht die Errichtung der Sphinx, vielleicht als ein frühchristliches Denkmal (Fomenko vermutet, daß die Beschießung der Sphinx durch die napoleonische Artillerie der Vernichtung eines Kreuzes oder eines anderen christlichen Symbols diente, das der schon sich festigenden Chronologie widersprach), auch der berühmteste Herrscher dieser Dynastie, Ramses II., wird als Ram-Esus, also als großer christlicher Herrscher des alten Roms (Alexandria, Ägypten) verstanden,
- die 18. ägyptische Dynastie wird in die XIV.-XVI. nachchristlichen Jahrhunderte verlegt; sie ist durch die Errichtung der Cheops (Huphu) - Pyramide Ende des XIV. Jh. gekennzeichnet; der Pharao Amenhothep IV wird mit Amenhothep I und mit dem legendären Religionsreformator Echnaton identifiziert; die religiöse Reform des letzteren wird als erster Versuch interpretiert, in Ägypten die christliche Religion durch die moslemische zu ersetzen,
- die Große Chinesische Mauer wurde erst im 17. Jh. nach der Abspaltung Chinas von Groß-Tatarien (Tartarei) erbaut, sie diente nicht der Verteidigung des Landes gegen die Nomaden, sondern markierte die neue Staatsgrenze und - wir wagen zu vermuten - diente als Staatsmonument der nach vielen Jahrhunderten im Mongolenreich errungenen Selbständigkeit.

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Nach Fomenko hat die Tatsache, daß ganze Jahrhunderte und Jahrtausende erfunden wurden, auch eine gewisse positive Folge: Die den erfundenen Epochen zugeordneten Tatsachen, Fakten, Überlieferungen, überhaupt historische Informationen, werden mindestens teilweise zur Bereicherung der Geschichtsschreibung der späteren Jahrhunderte dienen können (soweit sie keine Fälschungen, sondern falsche Zuordnungen zu anderen historischen Epochen oder zu anderen geographischen Regionen darstellen).
Eine der Argumente gegen die verkürzte Chronologie lautet: ihr versucht unsere Kultur zu zerstören. Diesem kann folgendermaßen entgegengetreten werden: die neue Chronologie bedeutet eine Bereicherung der menschlichen Kultur. Neben der heutigen Mittelalters-, Altertums- und antiken Chronologie, die mit der Zeit zu einem neuen Zweig der Philologie (sagen wir zur Geschichte des historischen Romans) wird, entsteht noch eine äußerst interessante Geisteswissenschaft (die genauere Chronologie), die Methoden der historischen Analyse mit naturwissenschaftlichen und mathematischen Methoden verbindet.


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