Persephone - die falsche Göttin aus Tarent
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Uwe
Topper
Berlin, 2000 |
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(Veröffentlicht in "Fälschungen der Geschichte", Herbig Verlag 2001) |
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Eine der wichtigsten
Statuen der frühklassischen Griechen steht nach kürzlich erfolgter
Restaurierung wieder im Pergamon-Museum in Berlin. Sie stammt laut Katalog
aus Tarent in Süd-Italien, ist zwischen 480 und 460 v.Ztr. geschaffen
worden, 1,51 m hoch und besteht aus einem einzigen parischen Marmorblock.
Ob es sich bei der in Lebensgröße dargestellten Person um die
Unterweltsgöttin Persephone handele, oder nur um eine "heroisierte
Tote", war zunächst unklar gewesen, weil man bisher keine derartige
Rundplastik einer thronenden Göttin aus dem frühen Griechenland
kannte.Wir wissen ja, daß die Griechen jener Zeit ihre Kultstatuen
als stehende Personen schufen, aus einem Baumstamm grob behauen und geschnitzt,
mit Goldblech, Elfenbein und Stoffen bedeckt, auch mit echtem Schmuck
behängt. |
Durch eine sehr ähnliche kleine Terrakottafigur, ebenfalls aus Tarent,
die eine Omphalos-Schale und ein Alabastron-Salbgefäß in den
Händen hält, wurde die Bezeichnung Persephone bestätigt. Der Katalogtext spricht weiter vom "milden Gesichtsausdruck der Göttin" und sagt dann über diese Übergangszeit zur Frühklassik: "Das archaische Lächeln verschwindet, und ein neuer Ernst spricht aus den Gesichtern". Daß da stilistische Probleme vorliegen, wird aus diesen Sätzen noch kaum deutlich. Die Unterarme sind leider abgebrochen, sie liegen auch nicht auf den Armlehnen auf, sondern sind vorgereckt. Man nimmt an, daß sie ebenfalls Omphalos und Granatapfel, die Zeichen der Totengöttin, hielten. |
Verdacht |
Das erste, was einem naiven Betrachter beim ehrfurchtsvollen Herantreten
auffällt, ist das zart an Mona Lisa erinnernde geheimnisvolle Lächeln,
das um die Lippen der Totengöttin spielt. Sollten die alten Griechen
tatsächlich schon dieses Kunstgefühl der Renaissance gekannt
haben? Ist Leonardo da Vinci gar nicht so genial-originell gewesen und
die Renaissance nur eine Wiedergeburt der Antike, wie der Name schon sagt? Dann fällt dem Betrachter die Körperhaftigkeit der göttlichen Kore auf. Vor allem der Busen übt eine ungemein erotische Wirkung aus, bei längerem Hinsehen kommen einem die Brüste übertrieben spitz vor, unorganisch, zu weit auseinanderstehend. Der Künstler hat des Guten zuviel getan. Aber die Brust ist keusch bedeckt von einem Hemd, das auf dem rechten Oberarm mit sieben Knöpfen verschlossen ist. Die Falten, die dabei entstehen, sind nicht erhaben sondern vertieft, was eine flach-ornamentale Wirkung hat, die im Widerspruch zu der sonst plastischen Gestaltung steht. |
Über dem Hemd (Chiton) trägt sie ein weites Gewand, doch scheint mir, daß da etwas durcheinander gekommen ist. Am linken Arm wird dasselbe Kleidungsstück, das rechts als oberes liegt, vom unteren Hemd überdeckt. Ob der Schöpfer der Statue die Frauenkleidung nicht recht kannte? Oder geht nur mir das so? Mein Blick als unvorbereiteter Besucher wird allmählich kritischer. Dieser Faltenwurf ist gar zu unnatürlich, die spitzen Zipfel sind undenkbar, und die Zöpfe wirken seltsam gekünstelt; eigentlich müßten die Haare über der Stirn unter dem Diadem von der Mitte des Kopfes ausgehen, wenn sie echt wirken sollen. Die Haube, in der das Haupthaar gehalten wird, hat einen steifen Rand, der aber viel zu tief hinters Ohr gedrückt ist. Das dürfte wehtun. Die Göttin sitzt auf einem Thron, der geschickt eine Holzstruktur nachahmt. Damit sie es dennoch bequem hat, sind Rückenlehne und Sitzfläche mit Kissen geplostert. Dasjenige am Rücken ist jedoch nicht eingedrückt, die Frau sitzt stolz aufgerichtet. Mir fallen keine Parallelen zu einem Rückenkissen dieser griechischen Periode ein. Aber man kann ja nicht alles wissen.
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Das Sitzkissen ist allerdings seltsam, denn es ist überdeckt mit einem Brett, auf dem die Kore sitzt. Auf dem Kissen zu sitzen wäre sinnvoller, auf dem Brett sitzt es sich nicht bequem, denn sie schwebt ja nicht. Die Füße ruhen auf einem Schemel, ganz stilecht, nur das Ornament an den Schemelseiten wirkt unpassend und ist zu flach. Und die Sandalen sind nur durch einen Querriemen gehalten, die würde sie beim Gehen glatt verlieren. Aber das ist eine Kleinigkeit im Vergleich zu der Entdeckung, die die
Armlehnen bereithalten. Die rechte Armlehne ruht nämlich auf einer
schön gedrechselten Stütze, die jedoch leider nicht im vorderen
Drittel sondern im hinteren steht, was einem Tischler sicher keine Ehre
antun würde. Und die linke Lehne, die heute abgebrochen ist, hatte
gar keine Stütze. Die Armlehne wäre also freischwebend von der
Rückenlehne her nach vorne ragend zu denken. Da das gar zu unpassend
wirken würde, hat man die Lehne vielleicht abgeschlagen, nun fällt
der Fehler beim flüchtigen Hinsehen nicht mehr auf. |
Ich reibe mir die Augen, trete ganz nahe an die Figur und messe mit meinem Bleistift nach. An der Stelle, wo die gedrechselte Stütze der Armlehne gestanden haben müßte, fehlt nicht nur eine Bruchstelle auf der Marmoroberfläche, sondern - da liegt ein Zipfel vom Gewand der Dame. Weder hier noch an anderer Stelle konnte die Lehne abgestützt sein. Die Thronbeine hat der Künstler leider übermäßig
eingekerbt, so daß sie fast weggebrochen sind. Haben die Tischler
damals Sollbruchstellen eingeschleust, um später mit Reparaturarbeiten
beauftragt zu werden? |
Die Sockelplatte (Plinthe), auf der die gesamte Figur steht, ist sehr
sparsam mit Rundungen versehen und ausnehmend dünn gehalten. Hatte
man damals schon am Gewicht sparen wollen, um das Transportproblem zu
verringern? Nun kommt aber ein gewichtiger Hinweis darauf, daß diese Statue aus Tarent wirklich antik ist. In einer kleinen Glasvitrine neben ihr kann man ein kleines Terrakottafigürchen und die dazugehörige Gußform betrachten. Hier haben wir im Miniaturmaßstab fast genau die Vorderansicht der Marmorgestalt vor uns. |
Die Gußform stammt ebenfalls aus Tarent und ist 1925 durch den Kunsthandel nach Berlin gelangt, wo man dann den Abguß machte und über die frappierende Ähnlichkeit mit der Marmorkore hocherfreut war. Nun war auch die Deutung als Persephone abgesichert, denn die Miniaturgestalt trägt in den Händen eine Omphale und angeblich einen Granatapfel, den ich aber nicht finden konnte. Die Gußform läßt sogar deutlich erkennen, daß sie
schon in dieser fragmentarischen Art hergestellt worden war. Die Ränder
sind nicht gebrochen sondern geglättet! Außerdem sind die Gewandfalten
sehr flüchtig eingeritzt, in viel zu vielen Strichen. Das Figürchen
wirkt eher wie ein Entwurf, vielleicht diente es dem Marmorbildhauer als
skizzenhafter Versuch für die große Arbeit? |
Stilvergleiche |
Zum Glück gibt es einige Literatur zum Thema. Als erstes lese ich ein Buch über tarentinische Terrakotten des 6. bis 4. Jahrhundert v.Chr. aus dem Museum Basel (Herdejürgen 1971), in dem sogar einige sitzende Koren abgebildet sind. Der Thron soll stets aus Holz gewesen sein und fehlt heute natürlich. Da die Figürchen der Haartracht wegen auf nach 325 v.Chr. datiert werden, liegt hier gegenüber der marmornen Persephone ein chronologisches Problem vor; aber die Terrakotta des Berliner Museums wird ja - vermutlich aus diesem Grund - von einigen Fachleuten eher auf 4. Jahrhundert datiert. Man spricht dann von Persistenz archaischen Stilbewußtseins in der Kleinplastik. Sie wäre also nicht Entwurf sondern Nachahmung der Marmorstatue gewesen. Zur Marmorgöttin gibt es doch eine Parallele in der Literatur (Blümel 1966): Es ist eine halblebensgroße, kopflose Sitzende, die bei Tusculum (Frascati bei Rom) gefunden wurde und durch Petersen 1893 nach Berlin kam. Sie sitzt auf einem Stuhl ohne Lehnen, dessen Beine abgebrochen sind, der aber - obgleich er keinen Stützpfeiler hat - dennoch nicht umstürzt, weil Beine und Gewand der Frau alles zu halten vermögen. Der Chiton mit "Scheinärmeln" ist auf dem Oberarm mit acht Knöpfen geschlossen. Hier sieht die Tracht recht natürlich aus, der Faltenwurf ist echt dargestellt. Ich muß feststellen, daß unsere Persephone selbst in den besten
Werken einen allerersten Rang einnimmt, so etwa im amerikanischen zweibändigen
Weltkatalog der Kunstmuseen, wo sie die wichtigste Statue des spätarchaischen
griechischen Stils in Berlin ist. Vergleichbares ist nicht zu finden,
nur Reliefs mit sehr ähnlichen Darstellungen der Persephone. Das
berühmteste ist wohl das Harpiyenrelief von der großen Felswand
von Xanthos in Lykien, das schon seit einem Jahrhundert in Saal 7 des
Britischen Museums in London steht. Da thronen rechts und links der Grottentür,
einander zugewandt, zwei Koren, von denen die rechte durch Blüte
und Granatapfel in ihren Händen eindeutig als Persephone bestimmt
worden ist. |
Mutmaßungen über den Künstler |
Was wissen wir eigentlich über die Herkunft der Statue? In der Zeitung
stand, daß sie ein Kunsthändler namens Hirsch 1916 in Neapel
erworben habe, nachdem sie von Tarent dorthin gebracht worden sei. Das
klingt unwahrscheinlich, weil 1916 Deutschland schon zwei Jahre im Krieg
stand, und Italien gerade zum Gegner geworden war. Die Statue sei aber
schon einige Jahre vorher entdeckt worden und habe dann zwei Jahre unter
miserablen Bedingungen in Mist und Schutt gelegen. Eigentlich stamme sie
aus Eboli und sei 1911 gefunden worden. Man habe den Kopf mit einer Säge
vom Körper getrennt und erst in Berlin wieder angefügt. |
Wenn man ein so überaus kostbares Original bei Straßenarbeiten findet, verständigt man sofort den archäologischen Dienst - den gibt es in Rom seit Jahrhunderten - und überläßt den Kuratoren alles weitere. Ansonsten, übrigens, hagelt es Strafen. Das Gegenteil hat man getan, nämlich die Statue zwei Jahre in Mist
und Schutt versteckt (ich nehme an: damit der allzu frische Marmor nachdunkelt),
dann nach Neapel geschafft (woher sie wirklich kam, ist einerlei, Tarent
klingt gut), und einem Kunsthändler vorgeführt. Der findet nur
den Kopf kaufenswert und sagt dies unverblümt dem Bildhauer. Fehler unterlaufen ihm jetzt nicht mehr. Er wird zum berühmtesten Antikenfälscher des 20. Jahrhunderts: Alceo Dossena, geboren 1878 (oder 1881) in Cremona, nach dem Weltkrieg reich und berühmt mit Atelier in Rom, verarmt gestorben 1937. |
Der Skandal |
Meine Vermutung, daß Dossena der Fälscher war, wäre einer
Prüfung zu unterwerfen. Dieser Sohn armer Leute, der im Steinbruch
als junger Mann gearbeitet hatte - ein Marmor-Steinbruch in der Lombardei
auf 1000 m Höhe heißt sogar Dossena - wollte hoch hinaus und
wandte sich vom schweren Handwerk der leichten Kunst zu. Zunächst
schuf er Madonnen, wie sie bei der katholischen Bevölkerung beliebt
waren und sich gut verkauften. Aber dann wurde er anspruchsvoller, arbeitete
nach barocken Kunstwerken und versuchte sich schließlich an klassischer
Kunst. |
Rechtfertigungen |
Da steht sie nun wieder, restauriert und rehabilitiert, seit Februar
1997, vor dem staunenden Publikum. Ich fragte mich jedoch noch einmal:
Wie sieht die Rechtfertigung dieses Schwindels in der wissenschaftlichen
Literatur aus? Übrigens ist auch die herabfallende linke Haarsträhne nicht
gebrochen sondern sauber gesägt! |
Herkunftsgeheimnisse |
Im Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Institutes Nr. 32 (1917,
S. 204 mit Abb.) schrieb ein gewisser B. Pick über die thronende
Göttin, "deren Erwerb und Überführung nach Deutschland
kurz vor dem Toresschluß, den der Krieg für uns bedeutete,
so großes Aufsehen erregt hat, wird mit Recht als eines der wertvollsten
Denkmäler der archaischen Kunst, ja der antiken Kunst überhaupt,
angesehen
" |
Kritik |
Es ist nur menschlich, daß einige Leute für ihr fantastisches
Monatsgehalt und die ihnen gebotene Sicherheit jeden Blödsinn erzählen
würden, der diesen Lebensstandard und Ehrenstatus aufrecht erhält.
Daß diese Gehälter und Ankäufe - oft in Millionenhöhe
- von unseren Steuern bezahlt werden, ist selbstverständlich. Vielleicht
sind auch einige Verantwortliche wirklich dermaßen dumm, daß
sie die Fälschungen nicht erkennen. Aber der Gedanke, daß man
in so einem Museum oder einer Bibliothek auch einmal Fragen stellt, ist
den Angestellten völlig ungewohnt. Der Bürger schluckt, was
ihm vorgesetzt wird. Wenn einer einen Verdacht äußert, wird
er wie ein Störenfried abgewiesen. Ist Wissenschaft wirklich ein so abgehobenes Gebiet, daß der Laie nicht anfragen darf? Ich begebe mich also in die Hochburg der Museumsverwaltung und erlange nach einigem Bitten und wiederholten Anrufen endlich (am Freitag, 23.1.1998 im Alten Museum, 13 h 30) ein Interview mit Frau Dr. Huberta Heres, Vizedirektorin des Alten Museums, die mir bereitwillig auf meine ungewöhnlichen Fragen antwortet. So erfahre ich folgendes: Die Göttin wurde - der Pressenotiz des Museums von Februar 1997 zufolge - 1911 oder 1912 in Tarent durch Raubgrabung ans Tageslicht gebracht und nach Eboli (bei Salerno) verschleppt, wo sie zwei Jahre in Mist gebettet unter der Erde lag. Dann sägte man ihr den Kopf ab, angeblich "um sie leichter transportieren zu können". Warum der Schnitt am Rücken erfolgte, ist ungeklärt. Sodann schaffte man sie nach Neapel, wobei der Kunsthändler T. Virzi aus Palermo (Sizilien) behilflich war. Eventuell stand sie auch zuerst in Locri, weil nämlich ein Wissenschaftler spezialisiert auf diesen Ort ist. Jedenfalls tauchte sie urplötzlich 1914 in Paris auf und wurde von dem bekannten Kunsthändler Jacob Hirsch, (vermutlich der berühmte Hirsch, der später im Exil in New York lebte), akzeptiert und in seinem Auftrag umgemodelt. Man entfernte die störenden Teile, z.B. die rechte Armlehne, und setzte den Kopf wieder an, diesmal jedoch starr gerade, dem archaischen Stil entsprechend (sonst hätte man sie nie verkaufen können), was aber später Schwierigkeiten ergab, weil man ja schließlich der Sägenaht folgen mußte bei der Wiederherstellung. Diese Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes ist erst 1996 erfolgt durch Mitarbeiter eines Institutes in Venedig. Zwei Italienerinnen, Cristine Passeri und Alessandra Morelli, waren zweimal drei Wochen in Berlin und setzten der Göttin den Kopf und die rechte Lehne wieder richtig an, wie sie der Künstler ursprünglich geschaffen hatte, was leider dem archaisch-frühklassischen Stil nicht entspricht: ein leicht seitwärts nach rechts geneigtes Köpfchen, "um die Körperbewegung zu betonen", ist zu diesem Zeitpunkt (480 v.Chr.) undenkbar. Wolfgang Maßmann stand bei der Restaurierung Pate. Vielleicht war er es, der herausfand, daß der Kopf damals, 1914, als die Göttin in Paris vorgestellt wurde, nicht korrekt angesetzt worden ist. Die Wiederherstellung des ursprünglichen Modells ist insofern berechtigt. Wir haben also jetzt wieder die Jugendstilform vor uns, und das paßt ja auch ins neu gewonnene Zeitbewußtsein. Der Kunsthändler Virzi aus Palermo gab dann im August 1914 die Statue frei an den Kunsthändler Jacob Hirsch, weil er plötzlich erkannte, daß durch den Ausbruch des Weltkriegs sein Vorhaben, sie an die Preußen zu verkaufen, nicht mehr durchführbar war. Hirsch schaffte sie über Genf nach Berlin, wo sie "über Hirsch in München" (Eintragung im Register des Berliner Museums) angekauft wurde. Es sind jetzt also die Hauptpunkte geklärt: Die Schnitte wurden nicht im Altertum sondern erst vor 80 Jahren verursacht, zum gleichen Zeitpunkt wie die Kratzer durch Picken und Wagenräder. Aber während die Kratzer blendend weißen Marmor hervorschauen lassen, hat der Sägeschnitt am Hals dieselbe Verwitterung wie die Staue. Die Patina ist also genauso künstlich erzeugt wie die der übrigen Oberfläche, vermutlich direkt durch Anwendung von Säure, oder - wenn man die kommerzielle Version bevorzugt - durch einen Misthaufen, wo sich ja auch Säuren entwickeln. Das Dübelloch am vorderen Rand der vorhandenen Armlehne ist eigentlich unerklärlich, meinte auch Frau Dr. Heres, denn selbst wenn dort eine Figur eingelassen war, würde diese störend wirken. Ebenso sind die drei Dübellöcher an der rechten oberen Ecke der Rückenlehne reichlich überflüssig. Mit meiner Frage nach der Terrakotta-Gußform endete das Interview: Sie wurde dem Museum am 8. August 1925 (Protokoll des Museum-Archivs, Inventar-Nr. 30990) überlassen durch den Maler Hermann Westphal aus Berlin-Steglitz, der sie (vermutlich) von einer Italienreise mitgebracht hatte. Da sie aber als Fälschung sofort auffällt - sie ist, wie gesagt, absichtlich als Fragment hergestellt worden - dürfte sie von Westphal stammen. Die vielen dünnen Falten lassen auf Unkenntnis des frühklassischen Stils schließen. |
Folgerung |
Zu Anfang hatte ich mir die Frage gestellt, ob Wiegand und seine Kollegen
raffiniert getäuscht wurden, oder ob sie uns - vermutlich aus Geldgier
- täuschen wollten? Nach langem Durchdenken blieb mir nur der Schluß,
daß Wiegand als großer Kenner griechischer Kunst wohl sehr
viel schneller als ich gemerkt haben muß, was ihm da vorgesetzt
worden war. Auch Studniczkas Verhaltensweise, der aus dem Atelier Dossenas
in Rom zurückgekehrt die Persephone mit großem Eifer verteidigte,
ist gar zu durchsichtig. Der Fall liegt offen zutage. Wir haben seit der Aufstellung dieser unmöglichen
Statue ein ganz anderes Bild von den archaischen Griechen bekommen, ein
Bild, das nie mehr ausgelöscht werden kann. Gewiß, auch das
von Winckelmann geschaffene Griechenbild war eine persönliche Schöpfung
und der Realität wohl sehr fern, aber es handelt sich dabei zumindest
nicht um willentliche Fälschung. Und eine weitere Frage stelle ich:
Wenn die Sägestellen zuerst verschwiegen wurden, durch diese Schnitte
aber logischerweise der Glaube an die Echtheit der Statue ad absurdum
geführt wird, müßten dann nicht die Verantwortlichen den
Unfug beendet und die Statue in den Keller oder ins Jugendstilmuseum geschafft
haben? War das der Grund für die "Restaurierung" nach der
Wende? Wer hat nun wieder betrogen? |
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