Abstrakte Grabstelen aus Holz und Stein

Eine künstlerische Betrachtung zur Totenverehrung

Dies ist die begonnene Wiederherstellung eines verlorengegangenen Aufsatzes, sie wird gelegentlich vervollständigt.

In Zentralasien, Afghanistan und Nordpakistan sowie auch in Nordwestafrika und anderen Teilen der Alten Welt gibt es Grabsteine und Holzstelen von einer sehr eigenartigen Gestalt, die sofort auffällt: Sie erinnert schwach an einen Menschen - an was könnte man sonst denken - und ist doch weit entfernt von einer bildlichen Darstellung der menschlichen Gestalt, weil sie ornamental und abstrakt bleibt. Der Drang zu unbildlicher Darstellung herrscht vor.

Grabhölzer 1 Grabhölzer 2

Holzstelen auf Gräbern in Bugeji im Mittleren Atlas (Marokko) 1983

Grabstelen aus der Region von Essaouira (Abb. 2) und der Zayan im Mittleren Atlas (Marokko) (Abb. 3)

Grabstelen MogadorAbb. 2 Grabstele ZayanAbb. 3

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Es folgt ein Ausschnitt aus einer marokkanischen Zeitschrift:

Tasmount (pseud.) (1994): La nécropole mégalithique de Chaouen“, in: Tifinagh Nr. 1 (Dec. 1993 - Jan. 1994)


Über zwei Hügeln vor der Stadt Schauen am westlichen Rand des Rifgebirges (Nordmarokko) befindet sich ein alter Friedhof mit etwa 1300 Gräbern, die erstmals 1979 untersucht wurden, aber bisher nicht wissenschaftlich veröffentlicht sind, ausgenommen durch den Artikel von Tasmount in Tifinagh. Die Bevölkerung hält die Gräber für jüdischer Herkunft, doch das dürfte unwahrscheinlich sein; vermutlich gehören sie in eine vorgeschichtliche Epoche. Ob sie megalithisch sind, weil sie mit entsprechenden Grabsteinen in Westeuropa Ähnlichkeit haben, zumindest in der frühen Metallzeit geschaffen wurden, ist allein auf Grund der Typen nicht zu entscheiden. Ihre Gestalt ist schwach anthropomorph, im Ganzen jedoch anikonisch mit rein abstrakten Mustern versehen, darunter Halbkreisen an den Rändern, wie sie für megalithische Ornamente in Westeuropa oder auch für Felsbilder im Yagour (Hoher Atlas, Marokko; Abb. 25) sowie für die bekannte Stele von Nkheila (Rabat, Marokko) typisch sind. Zwei der abgebildeten Stelen (Abb. 28 u. 29) haben Ähnlichkeit mit den metallzeitlichen Grabsteinen von Pontremoli (Italien), eine andere ist eindeutig phönizisch (Thanit mit Schriftzeichen, Abb. 32).
Im selben Artikel werden zu Vergleichszwecken drei Holzstelen (jeweils Vorder- und Rückseite, Abb. 19-24 nach Zeichnungen von Ali Silem) gezeigt, die sich auf dem Friedhof von Sidi Simian, Gebiet von Sidi Ghilas an der Mittelmneerküste, etwa 100 km westlich von Algier (Algerien) befinden und erstaunliche Ähnlichkeit mit der von mir gesammelten Gruppe von hölzernen Grabstelen aufweisen. Die Ornamente sind rein geometrisch in Reihen angeordnet, die Rückseiten sparsam mit einer Art Zopf versehen; auf dem Kopf ist zuweilen ein Halbmond sichtbar. Die Hölzer sind am Fuß zugespitzt und stecken aufrecht im Boden. Sie „sind noch gebräuchlich“, das Holz ist recht jung.

Tifinagh2

Abbildungen aus dem Artikel von Tasmount in Tifinagh Nr.1 (1994) nach Zeichnungen des Künstlers Ali Silem

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Bei den Kalasch im Hindukusch haben die Holzfiguren auf den Friedhöfen die natürliche körperliche Gestalt von Männern und Frauen. Die Sitzlehnen der Teilnehmer an den Versammlungen um die Altäre dagegen zeigen diese seltsamen stilisierten Formen, die andernorts auf den Friedhöfen stehen. Hier ein Beispiel aus Rumbur (Tschitral) (Topper 1977, S. 248)

Kalasch Sitze

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Holzkämme der Hedendowa (Hadendoa) im Nord-Sudan zeigen ähnliche Formen. Ausschnitt aus meinem Nubien-Skizzenbuch 1961 (Abb. 5)

Auf einem Gemälde von Taras Schewtschenko 1857 in der Kirgisensteppe sieht man diesen Stelen-Typ (Abb. 6)

Hedendowa KämmeAbb. 5 KirgisensteleAbb. 6

 

Im Wittemoor bei Oldenburg (Niedersachsen, heute im Museum Oldenburg) fand man diese beiden Holzbretter; man vermutet, daß sie eine Frau und einen Mann darstellen. Die "Köpfe" zeigen kein Gesicht. Ihre zeitliche Einordnung ist noch völlig ungewiß. (Abb. 7)

Wittemoor Abb. 7 Nadel BelgradAbb. 8

Abb. 8: Gewandnadel im ethnograf. Museum in Belgrad (Zeichn. UT 2007)

Ein hölzerner Kreuzaltar von 1860 in einer Kirche in Feteni ( Rumänien, heute im Volkskundemuseum in Bukarest) zeigt diese Grundform (Abb. 9):

Rumänien KreuzAbb. 9

 

Abb. 10: Im Museum Europäischer Kulturen (Berlin-Dahlem) unlängst (8. 3. 2019) gesehen:

Holzrocken zum Wollespinnen aus Schibenik in Kroatien (19. Jh.) (Foto U.T.)

Holzrocken Kroatien

(wird fortgestezt)

Uwe Topper, im August 2015

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