Hadendoa, ein freies Beja-Volk im Nord-Sudan
Von allen nubischen Volksstämmen haben mich die Hadendoa am meisten fasziniert. Hier einige Skizzen von 1961 (damals schrieb man den Volksnamen noch Hedendowa, heute meist Hadendoa).
Bei den Hadendoa
Wir sitzen in einem Marktort auf dem Weg nach Berber, nicht weit vom Nil. Es ist noch Vormittag aber schon heiß. Wir kaufen wichtige Kleinigkeiten ein: Nägel und Zwirn für meine Sandalen, Turnschuhe für Klaus, Datteln als Vorrat. Das Dorf besteht hauptsächlich aus dieser langen Ladenstraße. In den Zelten liegen gestapelt in Säcken Mehl und Zucker, Tee und Salz, auch Zigaretten, Blechdosen und Messer werden angeboten.
Endlich erfahren wir etwas über die braunen Kerle mit den wüsten Haarschöpfen: Sie heißen Hadendoa und gehören zu den Beja, einer hamitischen Volksgruppe zwischen Nil und Rotem Meer, Ägypten und Sudan. Ihre Steppe ist karg und trocken, nur Kamele und Ziegen halten dort aus. Die Hadendoa sind reich, heißt es, haben pro Zelt zweihundert, dreihundert Kamele, die frei weiden. Die Zelte sind grob aus Matten und Fellen errichtet. Die Männer tragen nur ein großes Tuch über die Schultern, nie eine Kopfbedeckung. Einige sprechen auch Arabisch und bezeichnen sich als Moslems.
Stolz schreiten sie zwischen den arabischen Händlern hindurch, ein großes Schwert über die Schulter gelegt, mit dem Blick in größere Weite. Ihre Gesichter sind schön, knabenhaft oder gar mädchenhaft, selbst bei den älteren, wobei es allgemein schwer fällt, ihr Alter zu schätzen. Im Gegensatz zu den sudanesischen Arabern tragen sie keine Hautmarken oder Tätowierungen. Mit großer Ruhe, als gäbe es den Begriff Zeit nicht, verhandeln sie. Säcke mit Lebensmitteln werden auf die Seite gestapelt, mit jungen Kamelen wird bezahlt.
Sie sind scheu und leicht verletzbar. Als ich eine Skizze anfange, hinter dem Rücken eines Arabers versteckt, steht der Hadendoa ganz ruhig auf und geht – ohne mich anzublicken – stolz davon, ohne das geringste Zeichen von Erregung im Gesicht. Klaus macht nach bewährter Methode einige Fotos von ihnen.
Das schwere Tuch, das sie tragen, hat die Ockerfarbe der Steppe. Im Kopfhaar tragen sie einen geschnitzten Kamm aus Holz mit zwei Zinken, mit dem sie von Zeit zu Zeit im verfilzten Haarbusch herumstochern, durch die Strähnen steichen und ihn dann wieder hineinstecken. Ihre Bewegungen sind ungemein anmutig, ruhig und selbstsicher. Wir sehen zu, wie einige ein Kamel mit Waren beladen, die sie gekauft haben; es dauert mehrere Stunden. Der Besitzer des Ladens, vor dem wir sitzen, bringt uns Essen. Ganz langsam verliert der Himmel seine gleißende Helle und wird weich und niedrig. Ein weißer Regierungsbeamter holt uns zu einem Lastwagen, wir sollen aufsteigen. Einer der Hadendoa steigt mit uns auf, und in einer Staubwolke geht es hinaus in die Steppe. Der Hadendoa mit Dolch und Schwert sitzt uns gegenüber auf den Säcken, blickt zum fernen Horizont. Glutrot versinkt der Sonnenball.
In einem Wadi hält der Wagen plötzlich, der Hadendoa springt hinunter und geht ohne Gruß oder Geste nach Osten in die dunkelnde Steinwüste hinein. In der Ferne erkennen wir Feuerschein. Vielleicht steht dort sein Zelt. Der Wagen erklettert den anderen Abhang des Wadis und biegt in Richtung Nil ab, einer ausgefahrenen Spur folgend.
Es soll viele Hadendoa geben, erfahren wir, die nur von Kamelmilch leben. Manche haben nicht einmal Ziegen. Wasser brauchen nur die Kamele. Brot könnten sie gar nicht verdauen, Tee und Zucker sind ihnen zuwider. Diejenigen, die in der Nähe arabischer Handelsposten und Siedlungen leben, haben sich schon an Wasser und Tee, Zucker und Mehl gewöhnt; nur Fleisch und Fisch essen auch sie nicht. Kamele oder Ziegen schlachten sie nie, verwenden nur die Haut und die Hufe der gestorbenen Tiere.
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Auf meiner einsamen Rückreise im späten Frühling durchquere ich ihr Gebiet und nächtige in ihren Zelten. Sie sind überaus gastfrei, achten ihre Frauen und lieben ihre Kinder. Ich darf Skizzen machen, ohne zu stören. Tatsächlich trinken die Männer, wenn sie fern der Zelte die Kamele hüten, direkt vom Euter der Kamelmütter, die geboren haben. Das reicht als Nahrung für den ganzen Tag. Stundenlang steht ein Hirte auf einem Bein, hält das andere angewinkelt, und schaut den Kamelen zu. Er folgt ihnen erst, wenn sie so weit gezogen sind, daß ich sie schon nicht mehr sehen kann.
Waffen und Kamm der Hadendoa (in ungleichem Größenverhältnis!)
Ein Hadendoa mit seinen Kamelen in der Dornbusch-Steppe
Es sind noch einige meiner Skizzen aufgetaucht. Hier ein Mann der Rashaida, einem verwandten Stamm in Nubien 1961:
Im Vergleich zu den strengen Rashaida wirkten die Nubier und ihre Frauen auf mich freier. Sie ließen sich gern portraitieren.
Nubisches Mädchen mit Krug
Gruppe von Nubiern am Nil