Die
Entstehung der Metallzeit aus neuer Sicht
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Zu dem Buch "horra" von Uwe Topper, Berlin (2003) |
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Uwe
Topper
Berlin ·2003 |
Die Erfindung des Metallgusses war für die Menschheit ein entscheidender Einschnitt in ihrer Entwicklung. In unseren Geschichtsbüchern wird dieser hochinteressante Augenblick weitgehend vernachlässigt. Bisher hat noch niemand eine Gesamtschau dieser kurzen, aber ungemein wichtigen Umbruchzeit geschrieben hat. Die archäologischen Grabungsergebnisse haben viele Einzelheiten ans Licht gebracht, die in der Zusammenfügung ein fesselndes Szenario entstehen lassen, wodurch ein neues Verständnis für das Werden des Kulturmenschen, besonders unserer eigenen Hochkultur, möglich wird. In Verbindung mit den Sagen der antiken Mittelmeervölker sowie unseren eigenen Überlieferungen ergeben sich ungewöhnliche Einsichten in die Vorgänge, die beim Übergang von der Steinzeit zur Metallzeit in Eurasien stattfanden. |
I - Handel |
Die weiten Auswirkungen der horrischen Metall-Zivilisation von China bis
Ägypten und von Skandinavien bis zur Sahara haben eine Hochkultur entstehen
lassen, die innerhalb von ein oder zwei Generationen das kulturelle Aussehen
der Menschheit völlig neu geprägt hat. Sie sind die Grundlage
unserer gesamten heutigen Weltzivilisation. Der Handel mit Rohstoffen und das damit verbundene Maßsystem, die daraus sich entwickelnde Geldwirtschaft und ein allgemeingültiges Gesetzeswerk sind die frühesten Anzeichen für die kontinentüberspannende Friedensphase der ersten Metallzeit. Die ungewöhnlich schnelle Ausbreitung dieser Zivilisation müßte friedlich vor sich gegangen sein, denn Handel erfordert ein friedliches Miteinander. Am wichtigsten trug das Kupfer dazu bei, das in Andalusien, im Erzgebirge, im Kaukasus und auf Zypern abgebaut und mit Zinn zu Bronze verarbeitet wurde. Diese wurde in genormten Gewichtsmaßen und Mischungsverhältnissen gegossen und stieg damit zum Tauschmittel erster Güte auf, das bald alle Völker Eurasiens akzeptierten. In seinem neuen Buch "Horra. Die ersten Europäer" entwirft der durch seine geschichtskritischen Bücher bekannte Schriftsteller Uwe Topper den ersten globalen Überblick über diese entscheidende Phase unserer Zivilisationsentwicklung. Als Beispiel für den Beginn der Metallzeit stellt der Autor eine kupferzeitliche Siedlung in Portugal, Zambujal, vor, die durch portugiesische und deutsche Archäologen mustergültig ausgegraben und veröffentlicht wurde. Dieser Handelsposten der ersten Metallhändler sieht aus wie jeder andere dieser Zeit im ganzen Mittelmeergebiet. Eine weitreichende Verbindung über das Meer mit ähnlichen Handelszentren ist durch Gebrauchsgegenstände, die in dieser Festung Zambujal gefunden wurden, nachweisbar. Es scheint sogar, daß die Ausrichtung auf die Seefahrt für die gesamte Kupferzivilisation kennzeichnend ist. Wir müssen voraussetzen, daß ihre Träger gute Seefahrer waren und auch die politische Herrschaft über das Meer ausübten; sie müssen sich vor feindlichen Flotten oder einzelnen Seeräubern sicher gefühlt haben. Die Anlage der Festungen auf herausragenden Felsen in Meeresbuchten zeigt, daß man von See her keine Angreifer fürchtete, wohl aber vom Lande her, denn die stärksten Mauerzüge befinden sich auf dem Sattel zum Land, meist in mehrfacher Staffelung. Auch die geniale Anlage des "Zwingers" von Zambujal ist eindeutig gegen den Bergzug gerichtet. Erst in späteren Phasen wurde diese Festungsbauweise unnötig, da der Handel auch Landfrieden bewirkte. |
II - Schmiede |
Durch die Entdeckung des Metallgusses wurde der Schmied zum ersten selbständigen Berufsstand. Wer Erz grub, schmolz und verarbeitete, hatte keine Zeit mehr zum Pflügen und Ernten, Jagen und Fischen. Er ließ sich von den anderen Stammesleuten mit Lebensmitteln versorgen. Die Erzeugnisse seiner Hände hatten ja auch überragende Bedeutung: als Waffen und Werkzeuge ermöglichten sie militärische und wirtschaftliche Überlegenheit. Der Handel, der auf diese Weise entstand, war bald kein reiner Tauschhandel mehr, denn was immer der Schmied sich für seine Produkte kaufen wollte, Nahrung und Felle, Feuerholz und Arbeitskraft, konnte er mit einer geschätzten Gegengabe begleichen, mit Bronzeäxten, die schon bald zur festen Währung wurden. Bei allen Ausgrabungen fand man die genormten Bronzeäxte, von gleicher Gestalt und gleichem Gewicht. Sie waren überregional wertbeständig und wurden sogar gehortet, denn sie hatten zeitlos Bestand. Der Handel, den die Horra erstmals in dieser unermeßlichen Dimension einführten, wie aus den archäologischen Funden hervorgeht, war auch die zeitbeständigste Einrichtung dieses Großstaates. Das Kobalt, mit dem die ägyptischen Glasbecher gefärbt sind, kam aus Schneeberg im Erzgebirge, Knöpfe und Schmuck aus nordafrikanischen Straußeneierschalen lagen in portugiesischen Gräbern, Reste von Seidenkleidern fand man in Fürstengräbern in Süddeutschland, wie zum Beispiel in Hohmichele bei der Heuneburg im Saulgau: ein Totengewand einer Frau aus Wollrips, das mit chinesischen Seidenfäden bestickt war; die Frau lag neben ihrem Mann unter einem vierrädrigen Wagen. Der Handel verband die äußersten Grenzen des Reiches und bezeugt eine "Pax Hurritica", die mit militärischer Macht durchgesetzt worden sein muß. Bei reinem Seehandel wäre eine allgemein friedliche Einstellung der Küstenbewohner - keine Selbstverständlichkeit, wenn man an spätere griechische Zustände denkt - ausreichend gewesen, beim Transport von Waren über große Landflächen kann nur ein strenges Gesetz mit den dazu nötigen Überwachungsmaßnahmen den Landfrieden garantiert haben. Dazu gehören Straßen, Ketten von Nachrichtentürmen, Kennzeichen (Siegel, Plaketten) und militärischer Schutz. |
III - Weltanschauung |
Die von den Horra verbreitete Weltanschauung ist archäologisch kaum
faßbar, es sei denn durch Auflistung der fehlenden Elemente, die in
anderen Kulturen als religiöse Artefakte registriert werden. Statt
der zu erwartenden Tempelbauten errichteten sie nur vergängliche Kultzelte,
statt der sonst üblichen Idole haben wir Anzeichen von Bildlosigkeit.
Vielleicht ein Jahrhundert lang wurde dieser religionsverleugnende Zustand
auch bei den Unterworfenen per Gesetz erzwungen, dann merkt man an den schrittweise
wieder auftretenden gewohnten Kultgegenständen, daß dieses Gesetz
unterhöhlt, durchlöchert und umgangen wurde. Nur als hin und wieder
durchbrechende Seitenlinie hat sich der bildlose Hochgottglaube der Horra
in späterer Zeit manifestieren können: in den jüdischen Prophetenschriften
zum Beispiel oder in Buddhas Predigten. Die ursprüngliche Religion der Horra, soweit sie sich indirekt erschließen läßt, kann als Schamanismus bezeichnet werden. Die Verehrung war gottlos und den vielgestaltigen Geistern gewidmet; Alchemie und Medizin nahmen hier ihren Ausgangspunkt. Wie stark die Schamanin (oder Hexe) mit dem Ziegenbock verbunden ist, bleibt uns ja bis heute bei der Blocksbergsage im Gedächtnis. Auf Rollsiegeln der Induskultur und des Zweistromlandes taucht dieses Bild schon auf: "Göttin" steht neben Ziegenbock. Auch in Deutschland gibt es einen Fund, der auf eine solche Gruppierung hindeutet; die hölzerne Ziegenfigur wurde in einem Ort namens Schmiden in Schwaben gefunden. Zum Wesen der Horra-Religion gehört in erster Linie der Ziegenkult und seine esoterische Mystik, die weit über das Maß zweckdienlicher Hirtenkulte hinausgeht. Ihre Endpunkte sind so bedeutungsvoll wie der Dionysos-Kult und die Kreuzigung Christi, ihre Ideen leben hartnäckig fort in Karnevalsbräuchen und Ordensregeln. Die Verinnerlichung der bei den Männerbünden auf der Hochalm entwickelten Mysterien mit ihrer Geheimsprache, Befehlsordnung und Reinheitsvorschriften entspricht der pietistischen Frömmigkeit einer Sekte oder Brüdergemeine; ihre im Wacholderrauch geschauten Visionen sind die Urbilder prophetischer Verkündigung. Es ist erstaunlich, wie viele Elemente der Ziegenhirtenmystik in den klassischen Kulten und selbst im Christentum, sogar in der Traumanalyse, noch vorhanden sind. Steht das in einem Verhältnis zur wirtschaftlichen Macht jener Berufsgruppe? Oder ist es nicht vielmehr der Ausdruck einer frühgeschichtlichen Religion, die ihre grundlegenden Gedanken ausgebreitet hat? |
IV - Amulette |
Seltsame Amulette, nämlich flache Täfelchen aus Schiefer geschnitten
und mit Ritzungen versehen, gehören zum wichtigen Fundinventar der
frühen Metallsiedlungen im Westen der Iberischen Halbinsel. Generell
werden sie den Glockenbecherleuten zugerechnet, die wegen ihrer glockenbecherförmigen
Keramik so genannt werden. Das engere Fundgebiet der Schiefertafeln reicht
in Portugal vom Tejo bis zum Guadiana, darüberhinaus gibt es Parallelen
in Almeria (Spanien) und in Frankreich (bei Châlon-sur-Saône
und im Hérault); in etwas abgewandelter Gestalt und aus anderem Material
sind sie von der Sahara über die griechischen Inseln bis Zypern und
im Orient anzutreffen. Der Autor hat die Schiefertäfelchen der portugiesischen Museen und die dazugehörige Literatur ausgewertet und herausgefunden, daß sie mit den fast weltweit verbreiteten Holzstelen auf Gräbern einige Ähnlichkeit haben, etwa in dem Sinne, daß man sie zum selben geistig-ästhetischen Umfeld rechnen sollte. Generell sind die Schiefertafeln kleiner als eine Hand, auf der Vorderseite meist schön glatt und mit Ritzlinien verziert, auf der Rückseite gewölbt und selten geritzt. Viele sind am oberen Ende einmal durchbohrt, seltener zweimal, was man als Augen auffassen könnte. Die Deutung als Augen oder Menschengestalt geschieht eher zu Unrecht, eigentlich sind die Täfelchen abstrakt. Die Bohrung ist übrigens im Querschnitt V-förmig, wie bei den Kleiderknöpfen, die als archäologisches Erkennungszeichen der frühen Metallhändler gelten. |
V - Pferde |
In unserer Schulgeschichtsschreibung ist die Zähmung des Pferdes
direkt an die Entstehung der "Indogermanen" geknüpft. Die
ersten Pferdehalter und die "Ur-Indogermanen" werden als identisch
betrachtet. Da uns dieses Thema fast "persönlich" betrifft
- schließlich ist die europäische die höchstentwickelte
Pferdekultur gewesen - wurde an unseren Hochschulen viel dazu geforscht
und geschrieben. Gemeinhin wird das Thema als gelöst abgehakt. Wenn
auch die grundlegenden Fakten und die meisten Details bekannt sind, wurde
doch wie in vielen anderen Wissensbereichen nie eine zusammenfassende Synthese
dargestellt. Man hat geforscht und läßt den Überblick, der
das Forschen erst belohnt, ausfallen. Wann und wo ist das Pferd zuerst gezähmt worden? Wenn man davon absieht, daß der eurasische Raum enorm groß ist, dann läßt sich das Problem zumindest örtlich einkreisen: Irgendwo zwischen Donau und Altai wurde das Hauspferd gezüchtet. Wilde Pferde jagte man schon in der sogenannten Altsteinzeit im gesamten Gebiet zwischen China und Iberien, wie die zahlreichen Knochenfunde belegen; aber die Zähmung gelang erst sehr spät, denn der Fluchtreflex und das Freiheitsbedürfnis sind beim Pferd viel stärker ausgeprägt als bei Auerochs oder Rentier. Nur ganz allmählich ging das Jagen des Pferdes in ein Hüten und Hegen der Herde über, wobei der Mensch durch geschickte Auswahl den Fortbestand der besten Tiere sicherte. Im jahreszeitlichen Wechsel folgte der Pferdehüter den Herden und wurde zum Lebensgenossen und schließlich zum Herrn der Pferde. Der Anfang der Ausbreitung des gezähmten Pferdes liegt zeitgleich mit der Ausbreitung des Kupfergusses, beides ging plötzlich im selben Augenblick vor sich, wenn wir ein bis zwei Generationen als einen Augenblick in geschichtlicher Sicht ansehen wollen. Wie eine große Wellenbewegung setzte sich diese Neuerung über ganz Europa durch, von Tripolje in der Ukraine bis Zambujal in Portugal. Man gibt nach alter Chronologie die Jahreszahlen 2300 bis 2200 v.Ztr. an, wobei die östlichen Fundorte meist ein geringfügig älteres Datum als die westlichen tragen. Neben Podolien werden manchmal auch Armenien und sogar Mesopotamien ("Sumer") als Ursprungsländer dieser Pferde-Metallkultur genannt. Wenn dies für Armenien noch naheliegt, da es vermutlich das erste Kolonisationsgebiet der Pferdehalter war, ist es für "Sumer" unwahrscheinlich. Eine Untersuchung der "sumerischen" Sprache (richtiger wäre der Ausdruck "Hochland-Iranisch") zeigt nämlich, daß diese nicht in einem breiten Flußtal wie Mesopotamien entstanden sein kann, sondern im Gebirge zu Hause ist. Als nächste Verwandte des "Sumerischen" gelten die altaischen Sprachen, die nördlich des Kaukasus und des Kophet-Gebirges gesprochen wurden, also im "Pferde-Gürtel". |
VI - Technik |
Nun hätte man durch Untersuchung gewisser technischer Errungenschaften
leicht darauf kommen können, daß die Hyksos-Herren Ägyptens
und die frühen Schmiede Eurasiens mit den Pyramidenbauern des Alten
Reiches identisch sein müssen. Es gibt nämlich erst seit der
Hyksos-Zeit mathematische Aufzeichnungen im Niltal, und ohne dieses Handwerkszeug
kann man keine Großbauten wie die Pyramiden errichten, so wenig
wie man Diorit oder Malachit ohne Stahl bearbeiten kann. Für Ägypten
gilt auch, daß dort die Frauen eine ganz herausragende Rolle spielten,
was gewiß nichts mit den arischen (in diesem Falle persischen) Eroberungen
zu tun hat, sondern echt horrisch ist. |
Literatur |
Blöss, C. und Niemitz, H.-U. (1997): C14-Crash. Das
Ende der Illusion, mit C14 und Dendrochronologie datieren zu können
(Gräfelfing) |
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