Zunächst Notizen über den Autor, wie sie hauptsächlich
vom Verleger der Neuauflage, Roland Bohlinger, im Anhang des Buches gegeben
werden:
Wilhelm Kammeier, geboren am 3. 10. 1889, begann seine Arbeit der Geschichtskritik
im Jahre 1923. Im Frühjahr 1926 lag ein 292 Seiten umfassendes Manuskript,
"Die universale Geschichtsfälschung" vor, das jedoch keinen
Verleger fand. Die Fachwissenschaftler, besonders die Preußische
Akademie der Wissenschaften zu Berlin, lehnten eine Kenntnisnahme ab,
da Kammeier nicht zur Gilde der Geschichtsforscher gehörte. Wenn
man sich vor Augen führt, was in jenen Jahren nach dem 1. Weltkrieg
alles geschrieben wurde - wie wild die Phantasie ins Kraut schoß
- kann man sogar die Ablehnung verzeihen. Hätte einer jener Herren
Gelehrten hineingeschaut in das Manuskript, wäre er ganz sicher gefesselt
gewesen und hätte sich für die Publikation eingesetzt, möchte
man annehmen.
Kammeier hatte mit seiner Aufklärungsarbeit noble Beweggründe:
Die Fälschung der Geschichte sah er als große Gefahr für
unsere Kultur, weil die Fehlschlüsse aus diesem Wissen neuen Konfliktstoff
bergen. Aufklärung hielt er für äußerst wichtig.
1935 erschien sein erstes Buch, der 2. Band entstand in den Jahren 1936
bis 39. Eine Anerkennung durch die Nationalsozialisten war ihm nicht beschert.
Bis zum Krieg war Kammmeier in Hannover als Volksschullehrer tätig.
Als Soldat geriet er in Gefangenschaft und konnte nach der Entlassung
seine Frau und treue Mitarbeiterin Lotte in Arnstadt in Thüringen
wiederfinden. 1942 hatte Kammeier eine kleine Schrift über die Entstehung
der Kirche veröffentlicht, die er nun weiter ausarbeitete. So entstand
bis 1956 der dritte Band, "Die Fälschung der Geschichte des
Urchristentums", den die Kommunisten der DDR jedoch nicht veröffentlichen
wollten (er erschien erst 1981/82 in Husum). Kammmeier wurde wie ein Staatsfeind
behandelt und starb 1959 an Unterernährung in Arnstadt, wo er begraben
liegt. Seine Frau und Schwester lebten dort noch zwei Jahrzehnte im größten
Elend. Lotte Kammeier starb 1979.
Die Fälschung der deutschen Geschichte
Der 1. Band ist in vier Hefte aufgeteilt, die vermutlich nacheinander
einzeln erschienen sind.
Im Vorwort, das erfrischend kurz gehalten ist, stellt Kammeier sogleich
seine zentrale Frage, und zwar mit den Worten von Mommsen, dem wohl berühmtesten
aller deutschen Geschichtsforscher:
Wie erklärt es sich, daß "über den germanischen Anfängen
ein Dunkel liegt, mit dem verglichen die Anfänge von Rom und Hellas
lichte Klarheit sind"?
Ich will Kammmeiers Antwort hier vorwegnehmen: Weil die Geschichte von
Rom und Hellas in der Renaissance mit großer Begeisterung erdichtet
wurde, während gleichzeitig die Anfänge unserer eigenen Kultur
bewußt gefälscht wurden.
Kammeier beruft sich
in seiner Lösung des Problems prinzipiell auf zwei große Pioniere:
auf den Jesuitenpater Johannes Hardouin (S. 87) und auf den Gerichtspräsident
in Düsseldorf, P.J.F. Müller, der 1814 ein Buch veröffentlichte:
"Meine Ansicht von Geschichte" (S. 89). In den Werken der beiden
Autoren findet Kammeier seinen Rückhalt, benützt sie allerdings
im Folgenden nicht. Möglicherweise ist er erst im Laufe seiner Arbeit
auf die beiden Autoren gestoßen und hatte seine eigene Linie schon
entwickelt. So geht er in Einzelheiten nicht soweit wie seine Vorgänger,
lehnt also nicht so radikal wie Hardouin die antike Literatur als Erfindung
ab und malt nicht so phantasievoll wie Müller eine "tatsächliche"
Vorgeschichte Deutschlands aus.
Über Hardouin braucht kaum etwas gesagt zu werden, seine Thesen sind
bekannt und wurden sehr viel diskutiert. Müller scheint mir einer
jener umfassend gebildeten deutschen Gelehrten der Romantik wie sein Zeitgenosse
Radlof zu sein, den ich in meinem "Germanen"-Vortrag (gedruckt
in Zeitensprünge 2-96, Gräfelfing) schon kurz erwähnte.
In spannend und sehr lebhaft geschriebenen Kapiteln führt uns der
Autor den Schwachsinn der Notare deutscher Kaiser vor Augen, die oft nicht
wußten, in welchem Jahr sie lebten, da sie weder das Regierungsjahr
ihres Brotherrn noch das Steuerjahr (Indiktion) richtig auf den Urkunden
vermerken konnten und darum oft die Datumszeile einfach freiließen.
Würden wir solche Urkunden heute für ernst nehmen? Nur Geschichtsforscher
tun das. Der gesunde Menschenverstand, und dieser ist Kammeiers methodisches
Messer, lehnt solchen Unfug ab.
Am Schluß des ersten Heftes betont Kammeier das Problem der Geschichtsfälschungsaktion
mit den Worten:
"Aber diese Schaffung der neuen mittelalterlichen Chronologie gleichsam
aus dem Nichts war der allerschwierigste Punkt der universalen Aktion,
und nach dieser Seite hin ist sie denn auch kläglich gescheitert."
(S. 80) Kammeier erklärt dann, wie sich die Mönche behalfen,
um dieses Problem wenigstens notdürftig zu vertuschen: Sie nahmen
Zuflucht zur elastischen Datierung, indem sie mehrere sich widersprechende
Daten einführten, aus denen dann jeweils das "richtige"
zu Diensten war, wenn es gebraucht wurde. Die sich widersprechenden und
die offenen Datumsangaben sind also mit voller Absicht geschaffen, sagt
Kammeier, denn nur so konnte die unmöglich zu lösende Aufgabe
der Erstellung einer echten Chronologie umgangen werden
Wie schon Aschbach und andere Kritiker vor ihm wendet Kammeier also eine
innere Textkritik an: Es geht nicht darum, die Schriftarten als gefälscht
auszusortieren, obgleich das manchmal am einfachsten hilft, es geht auch
nicht um die minutiöse Prüfung der Pergamente, denn es gibt
immer so gewitzte Fälscher, daß man ihnen mit dieser Methode
nicht auf die Schliche kommen kann. Sondern die psychologische Prüfung
wird zum Skalpell: Kammeier fragt, "ob der Geschichts- und Urkundenschreiber
gewisse Ereignisse, Personen, Daten so berichten und aufschreiben konnte,
wie er sie berichtet hat, wenn er wirklich der gewesen wäre, als
der er sich in und mit seinen Werken ausgibt," nämlich als kaiserlicher
Notar im 12. Jahrhundert (S.97).
In sehr schlüssiger Beweisform wird dem Leser klargemacht, daß
die Fälschungen der mittelalterlichen Klöster und der Kaiserkanzlei
keine praktischen Ziele verfolgten, also keine zeitgenössischen Fälschungen
gewesen sein konnten, denn diese Machwerke waren so leicht zu durchschauen,
daß eine Verwendung vor Gericht zum Gegenteil, nämlich der
Verhaftung wegen Betrugsversuches, geführt haben müßte.
Der ganze Wust von Tausenden von gefälschten Urkunden, Registereintragungen
und "Chroniken" kann nur als sehr viel später erfolgte
literarische Erfindung verstanden werden.
Um diesem gefälschten Urkundenberg ein passendes historisches Umfeld
zu schaffen, mußten natürlich auch Geschichtswerke parallel
dazu gefälscht werden (S. 133), denn sonst hätten sie in der
Luft gehangen. Hierbei behalf man sich häufig mit der Abschrift-Methode:
Originale liegen fast nie vor sondern nur Abschriften von Abschriften.
Die Verluststatistik der mittelalterlichen Manuskripte ist ein klares
Indiz für die Fälschungsaktion. Nicht nur die Originale sind
verloren gegangen, sondern auch die sogenannten "gemeinsamen Vorlagen",
auf die die erhaltenen "Abschriften" zurückgehen. Nur in
den wenigsten Fällen werden überhaupt Originale oder Erstabschriften
angefertigt worden sein, meist schuf man gleich die sich wild widersprechenden
Zweit- und Drittabschriften, die nun entsprechend elastisch in ihren Aussagen
sind, um als Stütze für jede mögliche andere Aussage benützbar
zu sein.
Im dritten Heft stellt Kammeier durch kluge Überlegungen fest, daß
nur eine straff organisierte Genossenschaft diesen Kraftakt der Neuschreibung
der europäischen Geschichte zustandebringen konnte. Nicht einmal
ein ganzer Mönchsorden war dazu in der Lage, sondern einzig die von
Rom aus gelenkte katholische Kirche in ihrer Gesamtheit. Der Vorgang dürfte
sich über mehrere Generationen hingezogen haben, mehr als ein Jahrhundert
lang. Als Zeitpunkt kommen nur die Anfänge der Renaissance in Frage,
das 15. Jahrhundert in seiner Gesamtheit. Die Gründe für diese
Annahmen sind überzeugend. Wenn man dem Autor bis hierhin in seiner
lückenlosen Beweisführung gefolgt ist, muß man auch diese
weiteren Schritte mitgehen. Kammeier geht nämlich mit der Genauigkeit
eines Detektivs vor, und sein Buch liest sich stellenweise wie eine Kriminalnovelle
mit realem Hintergrund. Man darf beim Lesen schon raten, was die Lösung
sein muß, wird auch mal auf Abwege geführt, um selbst zu erkennen,
daß gewisse Einwände oder Gegenargumente haltlos sind.
Da vor allem die Fälschungen im Vatikan selbst horrende sind und
diese Behauptung durch nichts zu widerlegen, ist auch der skeptische Leser
bald überzeugt, daß die "Große Aktion" nur
von dort aus gelenkt worden sein kann.
Hand in Hand mit der Neuschreibung der Geschichte durch die Kirche muß
eine Vernichtung der "echten" Dokumente, zumindest der älteren
Texte, vor sich gegangen sein. Auffällig ist nämlich das Fehlen
weltlicher Registerbände, also etwa der königlichen und kaiserlichen
Kanzleien. Konnten sie ebenfalls durch die Kirchendiener vernichtet werden?
Kammeier bejaht diese Frage (S. 218; dies halte ich für die schwächste
Stelle in Kammeiers Gebäude. Ich komme am Schluß darauf zurück).
Tatsache ist jedenfalls, daß nicht nur Manuskripte gefälscht
wurden, sondern das gesamte Umfeld: Inschriften und Münzen gleichermaßen
(S. 233), wodurch ein völlig neuartiges Geschichtsbild entstanden
ist, das die Erinnerung an andere Zustände der Vergangenheit auslöschen
mußte.
Am Schluß des 3. Heftes führt er noch einmal aus:
"Es kann nur eine einzige universale Geschichtsfälschung stattgefunden
haben, und zwar muß diese Aktion zeitlich ins Ende des Mittelalters
verlegt werden. Maßgeblich für diese Zeitfixierung sind zwei
Umstände: erstens, daß die nach gleichem Fabrikationssystem
hergestellten pseudohistorischen Geschichtsquellen zeitlich bis an die
Schwelle der Neuzeit (und in "Nachzüglern" sogar darüber
hinaus) reichen, und zweitens, daß gerade in dieser Epoche die große
Flut der "humanistischen" Geschichtsfälschungen aufsteigt.
Diese Erscheinungen bedingen sich gegenseitig, das heißt die universale
Geschichtsfälschungsaktion geht in der Gestalt der Geistesbewegung
einher, die wir mit dem Namen Humanismus (Renaissance) belegen. Beide
Bewegungen sind eins! Die Renaissance ist nicht nur eine Wiedergeburt
des Altertums, sondern auch eine Neugeburt des Mittelalters."
In Heft 4 untersucht
er sehr sachkundig die Quellenlage der Rechtsbücher und stellt schließlich
fest:
"1. die Rechtsquellen sind (wie die weltlichen Register) zum Teil
gänzlich vernichtet worden;
2. soweit Quellen vorhanden sind, wurden diese nach bestimmten Gesichtspunkten
umgefälscht." (S. 270)
Kammeiers weitere Untersuchung der "Germania" des Tacitus dringt
schon in den Bereich der Antike ein und ist vollkommen schlüssig,
wenngleich nur ein winziger Einblick in das ganze Ausmaß der Antikenfälschung,
daß er hier nicht aufrollen wollte. So entsteht der Eindruck, Kammeier
habe andere antike Schriftstücke - etwa eines Poseidonios - für
tatsächlich überliefert, wenn auch stark verfälscht, gehalten.
Nach seiner Kenntnis von Hardouin dürfte dies nicht der Fall gewesen
sein.
Ergänzung
Nun zu dem einzigen
Einwand, den ich formulieren möchte, wobei ich das Gesamtgebäude
keineswegs erschüttern will: Eine Herstellung von Büchern, Akten,
Registern usw. und ihre Einschleusung in Klöstern und Schulen scheint
mir technisch möglich, eine Vernichtungsaktion in dem Ausmaß,
wie Kammmeier es fordert, dagegen nicht, denn nicht zu allen Bauernhäusern
oder Adelsburgen in ganz Europa hatten die Pfaffen ungehinderten Zugang.
Es hätten Texte übrigbleiben müssen, wenn solche vorhanden
gewesen wären.
Die Sicherheit, mit der die Fälscher ans Werk gingen - will sagen:
die Frechheit, mit der sie antike und mittelalterliche Geschichte erdachten
und verbreiteten - besagt außerdem, daß sie nicht zu befürchten
brauchten, daß ihre Arbeit durch gegenteilige Schriften oder Beweisstücke
der Lächerlichkeit preisgegeben werden könnte. Es existierte
auch im Bewußtsein der Fälscher keine Gegenseite, sie konnten
ein Vakuum füllen! Sonst hätte so mancher große Gelehrte
oder Geistliche - ich denke an Viterbo, Abt Tritheim oder Antonio de Guevara
- sich doch vorsichtiger verhalten und wäre im Rahmen des historisch
Akzeptablen geblieben statt frei von der Leber weg Geschichte zu fabulieren.
Gerade Guevaras unerhörte Frechheit ist ja wohl allen Zeitgenossen
bewußt gewesen und gerade darum, nämlich als Parodie auf die
"ernsthaften" Geschichtsschreiber (also die verbissenen Lügner),
mit soviel Begeisterung aufgenommen worden.
Wenn - wie manche Historiker noch heute annehmen und wie Kammeier trotz
aller Klarsicht stellenweise noch vermutete - ein gewisser Grundstock
an Überlieferungen und Texten aus der Antike ins Quattrocento hinübergerettet
worden wäre, dann sähe unser heutiges Bild der Antike völlig
anders aus. Nicht die Entstellungen an den heutigen klassischen Texten
machen uns Schwierigkeiten, nicht die "Veränderungen" der
Bibelverse usw., sondern deren völlig freie Erfindung ist zum Problem
geworden.
Zwischen der Antike
und dem aufstrebenden Europa im Hochmittelalter - dem vagen Beginn unserer
Geschichtlichkeit unter den Staufferkaisern - muß ein Bruch von
ungeheuerer Schärfe passiert sein, eine Katastrophe von so gewaltigen
Ausmaßen, daß nicht nur die Tradition (außer mancher
mündlichen Überlieferung) ausgelöscht wurde, sondern auch
fast alles an technischem Können, was die Antike je zustandegebracht
hatte. Wir brauchen nicht bis zu den Pyramiden zurückzugehen, deren
Herstellung uns selbst heute noch ein totales Geheimnis ist. Wir wissen
nicht einmal, wie die norddeutschen Bauern ihre Hünenbetten errichteten
oder ihre Feldmessung und Kalenderbestimmung vornahmen.
So kann ich als Erklärung nur eine zwischen der Antike und dem Beginn
der Neuzeit liegende totale Katastrophe annehmen, die eben jenes Vakuum
schuf, das die Geschichtsschreiber der Renaissance so meisterhaft zu füllen
verstanden.
Kammeier,
Wilhelm: "Die Fälschung der deutschen Geschichte" (Leipzig
1935/ Husum 1979)
"Die Wahrheit über die Geschichte des Spätmittelalters"
(Bd. I: 1936; Bd.II: 1938/
Neudruck Husum 1979)
Kammeier,
Wilhelm "Die Fälschung der Geschichte des Urchristentums"
(Husum 1981)
(Verlag für ganzheitliche Forschung und Kultur, Roland Bohliger,
Wolfenbüttel /Husum 1982)
Auf S. 372 bringt
er eine Zusammenfassung dieses vierteiligen Werkes:
Der eigenartige Zweck,
historisiertes Gesetzbuch der neuen Kirche zu werden, hat die eigenartige
literarische Einkleidung des Gesarntevangeliums bedingt. Es wird nun auch
klar, daß beispielsweise nicht die astrale Betrachtungsweise das
Hauptaugenmerk der Evangeliendichter gewesen ist. Astrale und ähnliche
Motive und Anregungen haben vielmehr nur eine sehr untergeordnete Rolle
bei der Konzeption der Evangelien gespielt. Allerdings nahmen die Dichter
Anregungen und Vorbilder her, wo sie dergleichen fanden - so auch aus
dem Alten Testament, aus der jüdischen, griechischen und indischen
Gedankenwelt, - aber diese Lehnmotive finden nur Verwertung als willkommene
Hilfsmittel am Aufbau der Dichtung; die Haupthandlungstriebfeder war gegeben
in der Grundabsicht der Urheber, eine geschichtlich getarnte Bestallungsurkunde
für die Priesterschaft zu entwerfen. Alle weiteren Absichten sind
diesem Hauptzweck untergeordnet worden. Die geschichtliche Einkleidung
wurde gewählt, weil es sich von selbst verstand, daß das "göttliche"
Gesetzbuch der Kirche vom "Stifter" der neuen Religion erlassen
war, d.h., daß die einzelnen Bestimmungen von Jesus selbst herrühren
mußten. Die neue, von den Urhebern ersonnene Philosophiereligion
(Philosophie in Verkleidung mit religiösen Begriffen!) wurde daher
als Geschichte des Jesus von Nazareth dargeboten. Man war sich bewußt,
daß die Geschichte die geeignetste, weil als "Faktum"
nicht zu bestreitende und dabei als Erzählung höchst anschaulich
wirkende Form der Gesetzgebung darstellt, zumal wenn sich diese Geschichte
als eine solche gibt, in der Gott oder vielmehr Gottes Sohn unmittelbar
die Hauptperson ist. Gleichzeitig soll die heilige Geschichte natürlich
auch rein geschichtlich verstanden werden, als echte Überlieferung
den Beweis bringen, daß Jesus wirklich eine "geschichtliche"
Person war. Das Evangelium soll eben Lehre in der Form von Geschichte
verkünden. Im einzelnen wurde so verfahren, daß man für
jede als notwendig erachtete Bestimmung des Priestergesetzbuches eine
hierzu passende Kleingeschichte ersann. Nach den in den Evangelien vorliegenden
topographisch-chronologischen Gesichtspunkten wurden dann die Kleingeschichten
auf vierfache Weise am Handlungsfaden der Jesusdichtung aneinandergereiht.
Wir fassen
zum Schluß die Resultate unserer Untersuchung über die bei
der Konzeption des Gesamtevangeliums wirksamen Prinzipien in einige knappe
Sätze zusammen. Die religiöse Grundidee (Erlösungsidee)
lieferte den eigentlichen "geschichtlichen" Kern und das Rückgrat
des Jesusdramas. Die Idee selbst stellte zwangsläufig aus sich heraus
die Haupttriebfedern für den Mechanismus der Handlung zur Verfügung.
Wundersamer Anfang und tragisches Ende der geschichtlichen Laufbahn des
Stifters.
Von Kammeier verwendete Literatur:
Drews, A.:
"Das Markus-Evangelium" (2. Aufl., 1928)
Schniewind, J.: "Zur Synoptiker Exegese" in: Theolog.
Rundschau 1930
Preisendanz, K.: "Papyruskunde und Papyrusforschung"
(1933)
Eichorn, J.G.: "Einleitung in das Neue Testament" (1804)
Meyer, Eduard: "Ursprung und Anfänge des Christentums"
(1921)
Fascher, E.: "Textgeschichte als hermeneutisches Problem"
(1953)
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