Berlin · 2009 Uwe Topper
Besprechung von Uwe Topper
Der geniale Katastrophist, auf den selbst die neuesten Forschungen und Entwürfe nicht verzichten können, Otto Muck, hat seit 1935 eigene Wege beschritten und ab 1943 in der Zeitschrift "Forschung und Technik" vier bedeutende Artikel veröffentlicht, danach in "Natur und Kultur" (1948-1950) seine Forschungen vorgestellt. In einem populären Buch: "Atlantis - die Welt vor der Sintflut" (1956) bringt er dann seine umwälzenden katastrophistischen Gedanken in schlüssiger Form. Leider zitieren neuere Autoren meist nur die zwanzig Jahre nach seinem Tod 1976 erschienene, leicht entstellte Neuauflage des Buches, betitelt "Alles über Atlantis" (deren finanzieller Erfolg – soviel sei am Rande verraten – dem Verlag die Erstauflage von Uwe Toppers "Erbe der Giganten" 1977 zum selben Thema ermöglichte.)
Muck starb im Erscheinungsjahr seines grundlegenden Werkes. Mehr als zwei Jahrzehnte später kam ein zweites Buch heraus, "Geburt der Kontinente", das er selbst nicht mehr fertiggestellt hatte, ergänzt durch F. Wackers bis 1977, herausgegeben von Mario Muck und Ferdinand Wackers 1978 im Econ Verlag).
Wie sehr das Ehepaar Alexander und Edith Tollmann ("Und die Sintflut gab es doch", 1993) auf Muck fußen, hat schon Heribert Illig deutlich gemacht (VFG 1994), der zu Recht von Plagiat gesprochen hat, zumal die beiden Autoren ihren berühmten Vorgänger auch noch verächtlich machen. Was ihnen gut getan hätte und manchen anderen auch (eingeschlossen dem Rezensenten), wäre die Lektüre des zweiten Buches von Muck: "Geburt der Kontinente". Obgleich es in sehr großer Auflage erschien (1980 als Goldmann-Taschenbuch), hat es doch nicht die notwendige Beachtung gefunden und ist heute fast vergessen. Es enthält jedoch nicht nur geophysikalisch höchst erstaunliche Durchblicke und Entwürfe, besonders zur früheren Achsenstellung der Erde und zum Mondeinfang, sondern auch eine starke Zeitverkürzung, die für den damaligen Erkenntnisstand revolutionär gewirkt haben muß.
Das chronologische Problem hatte Muck schon sehr früh erkannt, wie die scharfe Kontroverse zeigt, die er mit dem deutschen Felsbilderpapst Herbert Kühn ausfocht: In der Monatszeitschrift "Germanien" (März 1939, S. 134) unter dere Überschrift "Hieb und Stich" stellt Muck fest, daß das "Problem der Chronologie in der Vorgeschichte" ganz entgegen der eifrigen Behauptung von Prof. Dr. Herbert Kühn keineswegs gelöst ist. Kühn hatte eine Entdeckung vorgestellt, "die erstmals exakte Datierungen erlaubt" (in : Forschungen und Fortschritte, Nr. 28, S. 310). Kühn verläßt sich auf die ägyptische Chronologie, indem er die in Mitteleuropa gefundenen ägyptischen Perlen als Zeitmarkierung anwendet, und erkennt so auch gleich, daß die europäische Metallurgie zwei Jahrtausende später als die orientalische einsetzte. Genausogut hätten die Perlen durch die Seevölker nach Ägypten gebracht worden sein können, sagt Muck, ohne daß er diese Behauptung aufstellen wolle. "Man sieht", sagt Muck zum Schluß, "daß hier eine vorgefaßte Meinung besteht, der die Deutung aller Fundergebnisse untergeordnet wird; diese Meinung des Ex Oriente Lux - die für die physische Natur unbestritten bleibe - lehnen wir mit derselben Entschiedenheit und, wie wir glauben, mit besseren Gründen ab als denen, die uns zur Glaubhaftmachung solcher ägyptischer Importperlen vorgesetzt werden."
Und nun zu Mucks Nachlaßwerk "Geburt der Kontinente", das im reißerischen Untertitel des Taschenbuches die falschen Leser anspricht: „Ein Protokoll zum 8. Schöpfungstag“, wobei man ferner beachten sollte, daß Kap. XII völlig und Kap. XXI weitgehend durch die Herausgeber verfaßt wurden und inzwischen überholt sind. Im Anhang gibt es ein "Wissenschaftliches Colloquium: Über absolute Zeitbestimmungen", das sich mit der Radiokarbonmethode und entsprechenden physikalischen Versuchen zur Festlegung des absoluten Alters beschäftigt. Zwar greift Muck Libbys Technik der Karbonbestimmung nicht an, sondern glaubt an ihre Verläßlichkeit innerhalb kürzerer Zeiträume, baut aber ein ganz anderes, verjüngtes Schema der geologischen Phasen auf, das aufhorchen läßt. Leitfossilien besagen nichts über das Alter der Sedimentschicht, in der sie gefunden werden (S. 261): "Alle Schichten, vom Präkambrium bis zum Erdtertiär, sind hinsichtlich ihrer Umlagerung auf den jetzigen Fundort praktisch gleich alt, denn sie verdanken ihr Dortsein derselben eozänen Katastrophe. Schon darum könnten die radiologisch ermittelten Altersbestimmungen, die zwischen 10 und 2000 Millionen Jahren schwanken, nicht richtig sein. Sie sind es auch nicht. Die 'Uranium-Thorium-Uhr' hat zwar ein richtig gehendes Laufwerk – aber ein loses Ziffernblatt, dessen Fixierung bisher aussichtslos ist."
Abschätzungen auf Grund der Isotope ergeben Daten, die vom Standort abhängig sind, nicht vom tatsächlichen Alter. Und weiter (S. 265): Da die Veränderungen der Erdachsenneigung keiner geradlinigen sondern eher einer Exponentialkurve entsprechen, sind Rückwärtsberechnungen nahezu unmöglich, zumindest käme man zu „geringeren als den offiziellen Werten“, wobei auch „die flachelliptische Bahn des Mondes um die Erde und das nur langsame Einnehmen seiner heutigen Position zu berücksichtigen wären.“ Muck erlaubt sich deshalb, schätzungsweise die K/T-Grenze, also das Alter des Eozän, das immer noch bei 63 Millionen Jahren gesehen wird, stark herunterzuschrauben: (S. 265): „Es sind indessen keine 63 Millionen Jahre seit der Eozänzeit verstrichen, sondern wahrscheinlich kaum mehr als 6 bis 20 Millionen Jahre, die man als „tertiär“ bezeichnen kann. Hierauf weist auch der seltenste aller Funde, das fast vollständige Skelett eines ‚Oreopithecus‘ in einer Kohlenablagerung in Italien hin, die 1958 gefunden und auf ein Alter von 12 Millionen Jahre geschätzt wurde.“ Leider läßt sich aus diesen Sätzen nicht klar erkennen, wer sie geschrieben hat, da der Oreopithecus-Fund ganz sicher erst nach Mucks Tod veröffentlicht wurde. So ist dieses wertvolle Manuskript von den Nachlaßverwaltern entstellt worden, wenn auch in wohlmeinender Absicht, und wir können nur ahnen, daß Muck die Fehleinschätzung der viel zu langen Zeiträume für die geologischen Epochen bloßgelegt hat. Immerhin hätte das Buch um 1980 herum Skandalgeschrei auslösen können, was mir entgangen ist.
Entsprechend sieht er auch die Eiszeiten unmäßig überdehnt, etwa durch Prof. Penck „um mehr als das Zweifache des wirklichen Zeitablaufes verschätzt. Genau auf dieser Fehleinschätzung beruhen aber noch heute die gleichfalls geschätzten Daten für die vier Hauptvereisungsepochen des Quartärs. Sie ergeben einfach viel zu lange Zeiten.“ (S. 266)
Auch wenn uns heute Mucks vorsichtige Angriffe und Zeitverkürzungen nur als Vorläufer von Interesse sein mögen, ist doch das völlige Verschweigen seiner Argumente – selbst Christian Blöss kennt ihn nicht – ungerechtfertigt. Hinsichtlich der Kohleentstehung könnte er noch immer jeden Schullehrer zum Schweigen bringen (S. 160 ff): „Die aktualistische Kohlenbildungshypothese beruht auf der Annahme gewaltiger Absenkungen der die Kohlenwälder tragenden Landschollen um mehrere tausend Meter und immer wiederholter Aufschüttungen durch Sedimente ... Doch gerade diese Annahme ist geophysikalisch unhaltbar.“ Er führt dann das Amazonasbecken als Musterbeispiel an, wo man nach der Lehrmeinung den Vorgang der Kohlebildung heute noch beobachten müßte, was offensichtlich nicht zutrifft. „Die Schwierigkeiten (der Hypothesen) werden indessen beseitigt, wenn man die Möglichkeit einer weltumspannenden Katastrophe mit allen dramatischen Begleitumständen als diskussionsfähig erklärt.“ Und dafür hat er ja in seinem ersten Buch wahrlich genügend „Fakten, Dokumente, Argumente und quantitative Resultate herbeigeschafft“.
Auch Muck begeht den Fehler, seine Vorgänger nicht zu würdigen, und stellt eine neue Kohleentstehungserklärung auf, die m.E. nicht entfernt an die geniale Erklärung Hörbigers heranreicht. Auf S. 82 schiebt er Hörbigers Welteislehre mit einem knappen Satz beiseite, bringt dann aber das Phänomen des Mondsturzes mit denselben Fachausdrücken, die Hörbiger geprägt hat, in Kap. XIV, als wären es seine eigenen Gedanken. Da dieses Phänomen, dem der Rezensent mit einem Vortrag zur Gründung des Berliner Geschichtssalons 1994 abhelfen wollte, bis heute fortbesteht, nämlich der Ausschaltung von Hörbigers Gedankenwelt (die mehr zur Wiederbelebung des Katastrophismus beigetragen hat als alle späteren Versuche), kann man auch Muck nur in der Reihe der kleineren Vorstöße sehen, die trotz erstaunlicher Popularität ohne Folgen für die Wissenschaft geblieben sind.
Uwe Topper 4.7.2001
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