Die rumänische Sonderstellung
Im Volkskundemuseum in Bukarest, das zu den schönsten Freilichtmuseen der Welt gehören dürfte, 1935 errichtet, sind Häuser und Kirchen aus dem ganzen Land zusammengestellt. Die Holzkreuze und Kirchen haben mich fasziniert, besonders aber ein Figurenfries an einem Bauernhauszaun von 1846 mit mythologischen Bildern, die eine ungewohnte religiöse Welt offenbaren:
Ein Fischer hält zwei riesige Fische am Schwanz hoch, unter seinen Füßen das "Triskel" der Kelten, links gekreuzte Hackbeile, rechts ein Alambik (Destillierkolben) zum Schnaps destillieren (?).
Typisch sind Adam und Eva mit der Schlange, gewiß ein sehr altes Motiv, auch die Tiere wie Hirsch und Eber, Bär und zwei Steinböcke und zwei Adler sind gewohnt, aber ihre Zusammenstellung mit astralen Zeichen (Sonne, Mond und Stern) ist doch bemerkenswert. Ein Steinbock trägt in einer seiner beiden Gehörnwindungen die Sonne: Kalenderzeichen für den Wiederbeginn des Sonnenjahres am Wintersolstitium. Ein Vogel Greif und ein Teufel zwischen drei gedrehten Säulen sind wirklich fremdartig. Die Symmetrie einiger Figuren ist gewollt, die Zuordnung zum Kalender erkennbar. Wer diese Sinnbilder zum Sprechen brächte, könnte wohl etwas über die heidnische Stufe vor dem Christentum in diesem Land erfahren.
An einer Quelle ragen zwei hölzerne Pferdeköpfe hervor, daneben sieht man acht Apostelköpfe und zwei Kreuze. Auch an Wohnhäusern sieht man hölzerne Pferdeköpfe links und rechts des Eingangs. Unbefangen möchte man sagen: die Pferdegöttin überwiegt.
Ein freistehender hoher Kreuzaltar aus Holz, bemalt und mit Dach und Gitter ("troita" genannt), enthält als wichtigstes dekoratives Element die Grundform, die von Innerasien bis Marokko immer wieder vorkommt. (Feteni in Zentralrumänien,
1860).
(ut 2000)
Holzrelief mit Hackbeilen und Destillierkolben, in der Mitte der Fischmann auf Triskele - Holzkreuz
Holzzaun mit Kalender-Steinbock